1864 -
Mainz
: Kirchheim
- Autor: Kieffer, Franz Xaver
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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wenig das auch unsere Kaffeeschwestern glauben werden. Noch vor 300 Jahren
kannte man in Europa den Kaffee gar nicht: ein Arzt brachte ihn im 16.
Jahrhundert als Arznei von Aegypten nach Venedig, und erst zu Ende des
17. Jahrhunderts fing man an, ihn in Deutschland zu trinken. Jetzt ver-
braucht Europa allein jährlich über 2^ Millionen Pfund Kaffee.
In des glücklichen Arabiens gewürziger Luft wuchs der erste Kaffee, die
Mokkabohne. Der Bürgermeister Mieser von Amsterdam brachte 1790 den
ersten Kaffeebaum nach Batavia und den ostindischen Kolonien, von wo aus
die betriebsamen Holländer Europa mit theuerm Kaffee versorgten. Ein Fran-
zose wußte sich aber trotz aller Vorsicht der Holländer, die den kostbaren Han-
delsartikel gern für sich allein behalten hätten, ein kleines Kaffeebäumchen in
Ceylon zu verschaffen und verpflanzte es auch nach den französischen Kolonien.
Fast wäre der Versuch mißlungen; denn auf dem Schiffe, das ihn mit seinem
kostbaren Schatze trug, trat Maffermangel ein, und das Bäumchen wäre ver-
dorrt, wenn der Franzose nicht seine kleine Portion Master täglich mit seinem
Zöglinge, dem kleinen Kasieebaume, getheilt hätte. So brachte er ihn glücklich
nach Martinique, wo das Bäumchen sich so vermehrte, daß schon 36 Jahre
später 18 Millionen Pfund Kaffee von dort ausgeführt wurden und in wenigen
Jahren alle Antillen mit Kaffeepflanzungen bedeckt waren. Diesen glücklichen
Umständen hat es der liebe Leser zu danken, daß er jetzt sein Täßchen Kaffee
zu billigem Preise in aller Gemüthlichkeit trinken kann.
Unsere Kaffeebohnen sind die Kerne der Frucht des Kaffeebaumes. Auf
regelmäßigen und durch andere Bäume eingefaßten Vierecken stehen in den
Kaffeepflanzungen die wenig über drei Ellen hohen, nach der Schnur in glei-
chen Zwischenräumen gepflanzten Bäume. Ihre immergrünen, glänzenden,
lederartigen, ovalen Blätter und die aus den Blattwinkeln herauswachsenden
Büschel schneeweißer Blumen bieten nebst den dunkelscharlachrothen Früchten
einen sehr freundlichen Anblick, besonders da der Baum acht Monate lang
blüht und stets Früchte und Blüthen neben einander trägt. In diesen
Früchten befinden sich die Samcnkerne, je zwei in einer Frucht, mit der flachen
Seite aneinander liegend. Dreimal hält man in Brasilien und in Westindien
Fruchtlese. Die gesammelten Beeren werden auf besonders dazu eingerichteten
Tonnen ausgebreitet, und in wenigen Tagen trocknen die glühenden Sonnen-
strahlen das süßlich schleimige Fleisch der Früchte, welches dann durch beson-
dere Walzmühlen von den Kernen entfernt wird. In großen Säcken werden
dann die Bohnen nach Europa ausgeführt, und der fremde Eindringling, der,
selten getrunken oder als Arznei gebraucht, gewiß der Gesundheit ausgezeich-
nete Dienste leisten würde, hat leider bei Vornehm und Gering, bei Klein und
Groß unsere heimischen, gesunden, unserm Klima und unserer Natur zusagen-
den Getränke rn-, rängt; selbst die unzähligen Kaffeesurrogate hat er auf dem
Gewiffen — und viele Aerzte erklären den Kaffee, namentlich als tägliches
Getränk der Jugend, geradezu für ein langsames Gift. Und sicher ist er eines
der vielen Reizmittel, mit denen unsere kränkliche Generation für augenblick-
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