1864 -
Mainz
: Kirchheim
- Autor: Kieffer, Franz Xaver
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Durch's zweite Thor ziehen ein in's Schloß der Sänger und Spieler gar viele;
Wenn ab der König steigt vom Roß, so freut er sich am Spiele.
Durch's dritte Thor hinaus man sieht in einen schönen Garten,
Wo manche Vlume duftend blüht, dem König aufzuwarten.
Ein zweiter Garten ist noch nah, wo süße Früchte hangen;
Das vierte Thor ist dazu da, daß sie in's Schloß gelangen.
Zehn Ritter steh'n am fünften Thor, je fünf auf einer Seite;
Die schickt der König oft hervor, bald friedlich, bald zum Streite.
Die Ritter zu der rechten Hand sind taps'rer, als die linken;
Sie werden meistens nur gesandt, wenn jene etwa hinken.
Geöffnet sind den ganzen Tag die Thore all' des Schlosses,
Bis Abends müd' darnieder lag der Herr des Flügelrosses. Mises.
78. Vorzüge des menschlichen Körpers.
Der Mensch steht als das herrlichste Werk der Schöpfung da. Welches
Ebenmaß der Glieder, wie zweckmäßig alle geordnet und gestellt, welche Fein-
heit, welcher sanfte Umriß, welche Majestät!
Die für uns unentbehrlichsten — die wohlthätigsten Sinnen sind Hören
und Sehen. Das Ohr soll die Stimme des Freundes vernehmen, so wie den
geheimen Anschlag des Feindes gegen uns; das Auge soll die ankommende
Freundin schon in der Ferne entdecken, so wie unsern Gegner, der im Hinter-
halte lauert. Darum stehen beide als unsere Hochwächter, welche die An-
näherung des erwarteten Einzugs oder die Feuersnoth verkündigen, zu oberst
am Haupte — das Auge, um desto weiter zu reichen, das Ohr, weil der
Schall nach den Gesetzen der Natur in die Höhe geht. Wie kunstreich jenes
zusammengesetzt ist, lehrt die Zergliederung des menschlichen Körpers! Wie
kostbar ist für uns die Anstalt des Schöpfers, es wohl zu verwahren! Da die
scharfe Feuchtigkeit dem Auge schadet, so umwölbte die Natur es mit Augen-
braunen, den von der Stirne triefenden Schweiß abzuleiten. Ist es dem Land-
manne, der in der Tageshitze sein Brod gewinnt, wohl schon eingefallen, wie
viel er den Augenbraunen dankt? Hat er scbon daran gedacht, wie sehr ihm
die Augenlider dienen, damit Sand und Staub der Sehkraft nicht schaden,
damit unser Auge unter einer wohlthätigen Decke sicher ist, wenn wir im
Schlafe keine Gefahr ahnen? Unsere Seele gibt, als die Königin des Körpers,
Audienz durch das Ohr, vor dem ein zartes Häutchen, als Trommelfell, ge-
spannt ist, damit sie durch das Anschlagen der Worte an dasselbe Nachricht
von dem erhält, was sie erfahren soll. Aber wie vieler Gefahr ist dieses zarte
Häutchen ausgesetzt, besonders von Insekten!
Wie Vieles müßte der ermüdete Wanderer, der im Schatten eines Bau-
mes schläft, befürchten, hätte nicht der wohlthätige Schöpfer den Eingang des
Ohres durch mancherlei Krümmungen erschwert! Der Weg zu diesem kostbaren