1864 -
Mainz
: Kirchheim
- Autor: Kieffer, Franz Xaver
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Wechsel größerer und geringerer Hitze und des Sommers und Winters wird
es doch möglich, daß fast überall Menschen und Thiere den Erdball bewohnen
können.
Mit den Jahreszeiten verhält es sich so, daß in der mittlern Gegend
der Erde, nördlich und südlich vom Aeguator, nur zwei Jahreszeiten mit
einander abwechseln, eine heiße Jahreszeit ohne Regen und eine fast ununter-
brochene Regenzeit, und diese Gegend der Erde nennt man die heiße Zone.
Nördlich und südlich davon beginnen die zwei gemäßigten Zonen. Hier gibt es
4 Jahreszeiten. Noch weiter nach Norden und Süden, dem Nord- und Süd-
pole zu, in den beiden kalten Zonen, sind wieder nur 2 Jahreszeiten, ein
langer Winter und ein kurzer, aber oft sehr warmer Sommer.
Der Unterschieb der Tage und Nächte ist in der heißen Zone am unbe-
deutendsten, nur ein paar Stunden; je weiter nach Norden und Süden, desto
bedeutender wird er, und es gibt daher Gegenden, in welchen an den längsten
Tagen die Sonne nur eine Stunde lang untergeht und an den kürzesten nur
eine Stunde lang am Himmel sichtbar ist. Ja, in der äußersten kalten Zone
dauert der Tag Wochen und Monate lang, eben so die Nacht, die aber nicht
immer vollkommen finster ist.
Wenn wir den 21. März schreiben, dann steht die Erde so zur Sonne,
daß die Sonnenstrahlen senkrecht auf den Aeguator fallen. Alsdann ist bei
uns und überall die Nacht dem Tage gleich. Es sangen an, mildere Winde zu
wehen, und nach und nach beginnt es zu keimen und zu grünen und zu blühen
auf Feldern, in Gärten und Waldungen. Störche und Schwalben und Nachti-
gallen und andere muntere Vöglein kehren zurück aus fernen Ländern, in
welche der Winter sie verscheuchte, in ihre Heimath; ihr fröhlicher Gesang be-
grüßt den Frühling, der jetzt alle seine Pracht und Herrlichkeit auf unsern
Fluren ausgebreitet hat, und die Menschen danken dem guten Gott, der zu
ihrer Lust ihn sandte. — Die Leute aber, welche auf dem entgegengesetzten
Theile der Erde, auf der Südhälfte, wohnen, haben ihr Gutes genossen: sie
gehen der rauheren Jahreszeit entgegen, bei ihnen ist es Herbst.
Sind wir bis zum 21. Juni vorgerückt, so steht die Erde, die vom
21. März an ein Viertel ihrer ganzen Laufbahn vollendet hat, so, daß die
Sonnenstrahlen auf die Gegend der Erde, welche 23%mal 15 Meilen oder,
wie man sich kurz ausdrückt, 23% Grad nördlich vom Aeguator ist, senkrecht
fallen, auf den Wendekreis des Krebses sagt man. So nennt man näm-
lich jene Kreislinie, die man sich dort um die Erde gezogen denkt. Veilchen
und andere Frühlingsblumen sind nun verblüht; dagegen erblickt man in den
Gärten die schönste Rosenpracht. Das Getreide, welches im März erst, wie
kleine Grashälmchen, aus der Erde hervorsah, ist jetzt unvermerkt euch über den
Kops gewachsen und zeigt schon Aehren. Die Blüthen der Bäume haben sich
in kleine Früchte verwandelt, und die rölhende Kirsche blickt schon aus dem
grünen Laube. Die Erdbeeren sind bereits gereift im heißen Sonnenstrahls;
denn jetzt ist der Sommer da. — Auf der südlichen Halbkugel sieht es dagegen