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1. Theil 2 - S. 322

1864 - Mainz : Kirchheim
322 auch den Wein erst kosten." — „Dos lass' ich wohl bleiben," rief der Kleine; „denn ich weiß, es ist Gift darin. Ich habe das neulich wohl bei deinem Gast- mahle gesehen." — „Wie das?" rief der Alte. — „Wißt ihr nicht mehr, wie ihr von Verstand und Sinnen kämet, sobald er euch zu trinken gegeben hatte? Was war das für ein Lärm! Wie. habt ihr durch einander geschrien und gelacht! So lang ihr saßet, sprach Jeder von seiner Stärke; sobald ihr ausstandet zum Tanzen, sielet ihr über eure eigenen Füße. Ihr wußtet Alle nicht mehr, was und wo ihr seid; du nicht, daß >du König bist, und die nicht, daß sie Unterthanen sind." — „Aber," sprach Astyages, „wenn dein Vater trinkt, berauscht er sich nie?" — „Nie!" — „Und was macht er denn?" -• „Er hört auf zu dürsten, sonst Nichts." — Durch diese und ähnliche Einfälle .machte sich Cyrus sehr beliebt. Astyages ließ ihn reiten und jagen lernen und erlaubte ihm Alles. Cyrus wurde mit jedem Tage männlicher, und da er sich in einem kleinen Kriege mit einem benachbarten Volke hervorgethan hatte, wurde er der Abgott des ganzen Volkes. Cyrus konnte es nicht vergessen, daß er ein Perser war, und hatte nicht länger Lust, mit feinem tapferen Volke einem weibischen Könige zu gehorchen. Er stellte sich an die Spitze seiner Perser, bekriegte und überwand die Meder. Ein mächtiger König in Kleinasien aber, der wenigstens seines Reichthums kein Ende wußte, Krösus von Lydien, wollte den Cyrus mit seinen Per- sern vernichten. Er wurde von Cyrus geschlagen, seine'stadt Sardes von den Persern erobert und Krösus gefangen. Man errichtete einen Scheiterhau- fen, um Krösus zu verbrennen. In den Flammest schrie der Unglückliche: „O, Soloni Solon! Solon!" — Cyrus wurde begierig zu wissen, wen erriefe, befahl, den Scheiterhaufen zu löschen und den Krösus vorzuführen. Dieser erzählte: „O, Cyrus! es werden wenige Menschen sein, die vom Glucke so hoch erhoben und von ihm so tief gestürzt worden sind, als ich. Ich habe ein großes' Reich beherrscht und war der reichste König in Asien. Ich glaubte auch, ich wäre der glücklichste. Einst kam ein weiser Mann aus Griechenland, mit Namen Solon, zu mir. Ich ließ ihm alle meine Schätze zeigen und war eitel genug zu hoffen, er werde über meine Reichthümer erstaunen und mich glücklich preisen. Als er aber schwieg und das Alles nur ansah, wie Sand und Kieselsteine, sagte ich zu ihm: „Solon! du bist so weit in der Welt herumge- reist und hast so viele Menschen gesehen, sage mir, wen hältst du für den glücklichsten?" Solon antwortete: „Einen Bürger von Athen, Tel l us." Ich wunderte mich, daß er einen gemeinen Bürger mir vorzöge, und fragte weiter, warum erden für glücklich hielte. Er sprach: „Dieser Tellus hat sein genügen- des Auskommen, gelangte glücklich und zufrieden zu einem hohen Alter und starb einen rühmlichen Tod für sein Vaterland. Er hatte ein schönes Ende." — Als ich das hörte, fuhr Krösus fort, konnte ich meinen Verdruß nicht länger halten, sondern sagte: „Solon, so sehr verachtest du meine Glückseligkeit, daß du diesen mir vorziehest?" Und Solon antwortete: „O, Krösus, in einer langen Zeit muß der Mensch Vieles sehen, was er nicht zu sehen wünscht, und Vieles
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