1853 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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uns abzukühlen, indem es in der Höhle weniger warm sei, als hier
draußen. Sie selbst zündeten eine Reihe von Lampen an und über-
reichten dann jedem von uns eine. Mir wurde ein wenig unheimlich
zu Muthe, als es hieß: „Nun kann's losgehen!" Der Vater faßte
mich indeß bei der Hand, und so ging alles gut.
Der eigentliche Eingang zur Höhle ist kaum etwas breiter als eine,
gewöhnliche Hausthür, und dabei so niedrig, daß große Leute sich Lücken
müssen, wenn sie nicht anstoßen wollen. Man gelangt durch denselben
nicht sogleich in die Höhle, sondern geht erst in einem schmalen, finstern
Gange 80 Lachter 30 Zoll (1 Lachter hat 80 Zoll zehntheilig Maß)
weit bis zu einer kleinen verschlossenen Thür. Nachdem der voran-
gehende Führe diese geöffnet, traten wir in die wirkliche Höhle, welche
ungefähr die Ausdehnung eines ziemlich großen Zimmers hat. Der
Fußboden ist durch aufgeschüttete Sagespane seinem größten Theile nach
eben, die Decke hoch gewölbt, fast nach Art der Kreuzgewölbe in alten
Klöstern; die Seitenwände dagegen sind durch unregelmäßig überein-
anderliegende, bald weiter vor, bald mehr zurücktretende Marmorblöcke
von bedeutendem Umfange gebildet. Alle Felfenmasfen, auch die der
Decke nicht ausgenommen, sind dick mit sogenanntem Tropfstein
überdeckt, der hier und da wunderliche Gestalten bildet. So zeigten
uns die Führer an einer Wand das Leiden Christi, nicht weit
davon eine knieende, betende Nonne und Weihkefsel, an der
Decke einen Baldachin oder Prozesfionshimmel, an welchem
sich als ehrwürdige Reliquie der Mantel des Elias und der Rock
einer Heiligen findet.
Wie diese Tropfsteinfiguren sich nach und nach, d. h. in einem Zeit-
raume von Jahrtausenden, gebildet haben, kann man noch gegenwärtig
sehen. Verhält man sich nämlich ganz ruhig in der Höhle, wozu die
ganze Umgebung auffordert, so hört man deutlich überall das Geräusch
herabfallender Waffertropfen. Diese Tropfen rühren von dem Regen
und Thau auf der Erdoberfläche her, welche sich nach und nach durch
das Gestein durchgesickert und dies dabei zum Theil aufgelöst haben.
Der Kalk nun, welchen sie enthalten, lagert sich in der Höhle wieder
ab, nachdem das Wasser verdunstet ist, und bilden den Tropfstein.
Mit dieser ersten großen Höhle stehen, die vielen Nebenhöhlen
nicht gerechnet, noch fünf andere in Verbindung, die theils höher, theils
tiefer liegen. Man gelangt auf Leitern, die von der Feuchtigkeit ganz
naß und deshalb nicht eben leicht zu besteigen sind, in dieselben. Die
Eingänge dazu sind meist sehr enge und beschwerlich.
Zu den merkwürdigsten Tropfsteingebilden der zweiten Höhle gehört
ein Mönch, der das Unglück hatte, von einer Höhe herabzustürzen
und in der Mitte entzwei zu bersten; eine Orgel mit drei Reihen
auf einander steheirder Pfeifen und ein Berg schloß mit mehreren
kleinen Thürmen. In der dritten Höhle befindet sich ein Tauf-
stein mit drei darumstehenden Marmorklößen, denen man die Ehre