1853 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Sie verkriechen sich daher und bringen den Winter im Schlafe zu.
Ohne Kalender wissen sie ihren Monat. Aber sobald im Frühjahr
das Volk der kleinen Mücken lebendig wird und alle Keime in Gras
und alle Knospen in Laub aufgehen, ruft die tiefer dringende Früh-
lingssonne auch dieses Geschöpf aus seinem Schlafe und Winterquartier,
und, wenn es erwacht, ist schon für alles gesorgt, was zu seines Lebens
Nahrung und Nothdurft gehört. — Bekanntlich haben nicht alle diese
Thiere einerlei Farbe, aber eine Art derselben muß um ihrer Nahrung
willen sich am meisten aus dem dunklen Gebüsch heraus ins Grüne
wagen. Darum ist auch ihre Farbe grün. In dieser Farbe wird sie
im Gras weder von den Thieren, welchen sie nachstellt, so leicht ent-
deckt, noch von dem Storch, der ihr selber nach dem Leben strebt.
Es giebt auch zweierlei Eidechsen im Wasser, nur nennt man sie
anders, und diese sind zum Schwimmen eingerichtet. Selbst auf dem
Grunde der klaren Brunnenquellen findet man sie oft, und darf sich
deswegen vor dem Wasser nicht scheuen. Auch diese sind nicht giftig
und theilen dem Wasser keine Unreinigkeit mit. Vielmehr loben es
viele Brunnenmeister als ein gutes Zeichen. Solch ein Thierlein in
seiner verschlossenen Brnnnenstnbe hat ein heimliches Leben und Wesen,
sieht nie die Sonne auf- und untergehen, erfährt nichts davon, was
die Menschen thun und treiben, weiß nicht, ob's noch mehr solche Brun-
nenstuben in der Welt giebt, oder ob die seinige die einzige ist, und
ist doch in seinem nasien Elemente des Lebens froh und hat keine
Klage und Langeweile.
An der großen, schwarz- und gelbgcfleckten, warzigen und schmutzig
feuchten Eidechse, die man den Salamander oder Molch nennt, hat
niemand Freude. Noch weniger aber freut es diesen, wenn er einen
Menschen erblickt. Denn selten kommt er unangefochten davon. Er
hält sich nur an dunkeln, feuchten und kühlen, auch modrigen Orten
auf, und das Veste ist, daß man ihn dort sitzen lasse. Wer aber
Lust hat, darf ihn herzhaft in die Hände nehmen. Er thut euch gewiß
nichts Leides.
27. Die Blindschleiche.
Die Blindschleiche hat einen fußlosen, walzenrunden Körper, wird
etwas über einen Fuß lang und kaum so stark, wie ein kleiner Finger.
Ihr Name ist ziemlich unpassend gewählt; denn obwohl das Thier
nur kleine Augen hat, so ist es doch nicht blind. Vielleicht hat der
Namengeber selber die Fertigkeit, scharf und richtig zu sehen, nicht in
gehörigem Maße besessen. Sieht man doch jetzt noch so manchen durch
den belebten Wald und über die blumigen Wiesen und am murmelnden
Bache entlang gehen, der auf die Frage: was er gesehen hat, nichts
weiter zu antworten weiß, als: „Bäume, Gras und Wasser." Man
lernt die schöne Kunst des Sehens nur, wenn man sich entschließt,
alles genau und mit voller Aufmerksamkeit zu betrachten.