1853 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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zu Leide. Im Gegentheil leisten sie in der Natur einen großen Nutzen,
den man aber, wie es oft geschieht, nicht hoch anschlägt, weil jede
einzelne wenig dazu beizutragen scheint. Es ist das Geringste, daß
sie hie und da einer Stubenfliege den Garaus machen. Für diese
wäre noch anderer Rath. Aber sie verzehren auch jährlich und täglich
eine große Anzahl anderer, sehr kleiner Mücklein, die uns durch ihre
Menge erstaunlich, beschwerlich und schädlich werden, und gegen welche
man sich nicht erwehren könnte, wenn sie überhand nehmen. Sind
nicht manchmal ganze Ackerfurchen mit Spinnengewebe überzogen und
glänzen im Morgenthau? Da geht manches Mücklein zu Grunde, das
die aufkeimende Saat vielleicht angegriffen und verletzt hätte.
Ein Gefangener machte einst in seinem einsamen Kerker eine Spinne
so zahm, daß sie seine Stimme kannte und allemal kam, wenn er sie
lockte' und etwas für sie hatte. Sie verkürzte ihm an einem Orte, wo
kein Freund zu ihm'kommen konnte, manche traurige Stunde. Aber
als der Kerkermeister es merkte, brachte er sie ums Leben. Was ist
verabscheuungswürdig? Ein solches Thier, das doch noch einem Un-
glücklichen einiges Vergnügen machen kann, oder ein solcher Mensch,
der dem Unglücklichen auch dieses Vergnügen mißgönnt und zerstört?
Ein anderer Gefangener, der sonst nichts zu thun wußte, gab lange
Zeit aus die Spinnen Acht und merkte, daß sie auch Wetterpropheten
seien. Bald ließen sie sich sehen und arbeiteten, bald nicht. Einmal
spannen sie träg, ein andermal hurtig lange Fäden oder kurze, einmal
näher zusammen, ein andermal weiter auseinander, so oder so, und
endlich konnte er daran erkennen, was für Wetter kommt, Sturm, Re-
gen oder Sonnenschein, anhaltend oder veränderlich. Also auch dazu
sind sie gut, und wenn jemand sich verwundet hat und findet geschwind
ein Spinnengewebe, das er auf die blutende Wunde legen kann, so
ist er doch auch froh darüber. Wenn es rein ist, so kann es Blut
und Schmerzen stillen. Wenn es aber voller Staub ist, so schmerzt
es noch mehr, weil der unreine Staub in die Wunde kommt.
Daß es mancherlei Thiere dieser Gattung gebe, sieht man schon
an der Verschiedenheit ihres Gewebes in der freien Luft, an Fenster-
scheiben, in den Winkeln, auf den Feldern, da und dort. Manche
spinnen gar nicht, sondern springen nach ihrer Beute. Im Frühjahr
und noch viel mehr im trockenen warmen Nachsommer sieht man oft
gar viele weiße Fäden in der Luft herumfliegen. Alle Bäume hängen
manchmal voll, und die Hüte der Wanderer auf der Straße werden
davon überzogen. Man konnte lange nicht errathen, wo diese Fäden
und Flocken hervorkommen, und machte sich allerlei wunderliche Vor-
stellungen davon. Jetzt weiß man gewiß, daß es lauter Gespinnst ist
von unzählig viel kleinen schwarzen Spinnen, welche deswegen die
Spinnen des fliegenden Sommers genannt werden. Da sieht man
wieder, wie viel auch durch kleine Kräfte kann ausgerichtet werden,
wenn nur viele das Nämliche thun. —