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1. Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde - S. 121

1853 - Essen : Bädeker
121 breitet sich die Krone lustig aus, und auch seine Blätter baben eine angenehme Form. Im Frühlinge sehen wir ihn in seiner ersten Herr- lichkeit vor uns aufgestellt. Ist er dann nicht einem großen Rosenstocke zu vergleichen, woran Knospe an Knospe sich schmiegt? Denkt euch den Baum dagegen, wie er noch zu Anfang des April erschien! Da stand er kahl, seine Äste wie todte Balken, seine Zweige wie dürre Reiser. Brachen wir eine Knospe ab, so war sie unansehnlich, wie ein zusam- mengerolltes Kügelchen von grünem und gelbem Stoffe, woraus nimmer das zu werden schien, was wir jetzt vor uns sehen. Hat sich aber das Knöspchen entwickelt, so ist die braune Hülle auch abgefallen; zartere, grüne Blättchen sind nun die Hülle der Blüthen, welche oft noch schüch- tern hervorschauen und mildere Lüfte erwarten, um sich ganz zu er- schließen. Diese in der Enthüllung begriffenen Knospen sind unmu- thiger, die bereits entfalteten aber herrlicher. Jene, mit dem Grün der Hoffnung umhüllt, sagen uns: Bald wird's erscheinen, und wir wünschen und hoffen; — diese sagen uns: Gs ist erschienen, und wir rufen erfreut: O wie herrlich! Aber aus der Pracht soll der Segen hervorgehen; darum ver- schwindet sie nach kurzer Zeit. Seht, schon fallen die Blüthenblättchen nieder, wenn geflügelte Sänger nur durch ihre geschmückten Festhallen durchschlüpfen! Bald werden sanfte Lüfte, die uns jetzt den Blüthenduft zuwehen, die Blüthenblättchen selbst mit fortführen und auf den grünen Rasen streuen. Eine Zeit lang bleibt uns dann nur der Baum mit seinen frischen grünen Blättern als Hoffnungszeichen; aber hernach kommt die Zeit der schönsten Erfüllung. Allmählig färben sich die aus dem Laube hervorblickenden Äpfel, sie werden größer und schöner; endlich neigen sich schwerbeladen die Äste und Zweige. Die Blüthen waren unzählig, und wer übersieht die Fülle der Früchte! Hätten aber alle Blüthen Früchte gebracht, der Baum hätte seine Last nicht tragen können und hätte brechen müssen. Wie weise und gut! Und glänzt die Herbstsonne auf den Äpfeln, und haben sie lange genug getrun- ken den kühlen Morgenthau, dann strecken wir gern die Hände nach den erquickenden Gaben aus. Wir sammeln mit Wonne die ange- nehm duftenden Äpfel, die so kühl durch unsere Hände gehen und uns sagen: Uns hat Allmacht und Weisheit geboren, und die Liebe spendet uns. Hat so der Baum seine Gaben dargereicht, dann verkünden seine gelben und braunen Blätter uns nach kurzer Zeit sein baldiges Ein- schlafen. Sie fallen ab und düngen den Boden, aus welchem der Baum fürs kommende Frühjahr wieder seine Kraft zieht. Ja, der Apfelbaum ist schön. Er hebt seine Spitze zwar nicht kühn und stolz empor, gleich der Tanne oder Pappel; aber seine dichte Krone breitet sich doch über dem Stamme in Anmuth und Würde aus. Er erfreut uns nicht bloß durch äußere Schönheit, sondern auch durch die Fülle nützlicher Gaben.
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