1853 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
137
Bereitung des Flachses nicht leicht ist, so herrscht doch gewöhnlich große
Fröhlichkeit dabei, freilich bisweilen anch Leichtsinn, indem man bei dem
Dörren mit dem Feuer nicht vorsichtig umgeht. Es sind schon ganze
Ortschaften dadurch in Feuersnoth gekommen.
So groß die Ähnlichkeit in der Behandlung des Hanfes und Flach-
ses ist, so ungleich sind die Pflanzen selbst. An dem Hanf ist alles
größer und gröber, mannshohe Stengel, dickere, runde Samenkörner,
widriger Geruch, unschöne Blüthe; an dem Flachs ist dies alles anders.
Dennoch erträgt der letztere mehr Kalte und kommt in geringerem Bo-
den fort. Der beste Lein kommt aus Rußland, der beste Hanf aus
Italien. Übrigens läßt sich aus Br en un esse ln noch feinere Lein-
wand bereiten, als aus Flachs. Wäre es nur nicht zu mühsam!
71. Die Kartoffel.
Bei der Kartoffel können wir auf unserer Wanderung durch das
Pflanzenreich unmöglich vorübergehen, ohne sie ein wenig näher anzu-
schauen. Die armen Irländer von 1816 könnten euch ein Liedlein
singen von dem Werthe derselben; denn in diesem Jahre allein starben
ihrer Hunderttausende den Hungertod, weil die Kartoffel, wie in ganz
Europa, besonders in ihrem Lande, mißrathen und krank geworden war.
Auch unsere deutschen Brüder, die armen Weber in Schlesien, könnten
euch noch manches davon erzählen, was es heißt, eine Kartoffel haben
und nicht haben. Und ich wette, es hat schon mancher unter euch ein
schief Gesicht gezogen, wenn die Frau Mama nichts weiter als ein
Schüßlein mit Kartoffeln auf den Tisch setzte und noch dazu recht dank-
bar zu oben sagte: „Gesegn' es Gott!" Wem der Fall mit dem
sauren Gesicht noch einmal begegnen sollte, der denke nur an die hun-
derttausend Irländer! — Dreifach gesegnet sei der noch in seinem
Grabe, welcher die Kartoffel zuerst aus dem nördlichen Amerika nach
Europa brachte, mag es nun Franz Drake im 16. Jahrhundert
oder ein anderer gewesen sein; denn genau ist's nicht bekannt.
Wie die Kartoffel mit Wurzel, Stengel, Blatt und Blüthe aus-
sieht, das wißt ihr alle; vielleicht aber hat mancher von euch die uns
nährende Kartoffel für die Früchte des Gewächses gehalten, während
die doch michts weiter als jene gelblich grünen Äpfelchen sind, welche
sich gegen den Herbst aus der Blüthe entwickeln. An der Kartoffel-
blume werdet ihr bisher wohl nicht viel Schönheit gefunden haben,
und doch hat sie einst der unglückliche König Ludwig Xvi. von Frank-
reich im Knopfloche und seine Gemahlin auf dem Hute getragen, wie
es auch in neuester Zeit die Königin von Griechenland that, die aus
dem Oldenburger Lande stammt, wo man auch die Kartoffeln recht gut
kennt. Das haben diese Großen der Erde aber gethan, um die Kar-
toffelpflanze bei ihren Völkern erst in Aufnahme zu bringen, aus keinem
andern Grunde, und das nenn' ich doch schön! Die Blüthe besitzt