1853 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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terjocht zu werden. Bis zum Rheine und zur Donau war Deutsch-
land unter römische Herrschaft gekommen, und an deren Ufer hatten die
Römer bereits Kolonien (Pflanzorte), Städte und Festungen
angelegt. So sind die jetzigen Städte Köln, Koblenz, Mainz,
Augsburg (d. i. Augustusburg) von den Römern erbaut worden.
Man führte römische Gesetze ein und behandelte diese Länder als
römische Provinzen.
Aber damit begnügte sich der Kaiser Augustus nicht, er wollte auch
das Innere der deutschen Wälder erobern. Er schickte darum seinen
Stiefsohn Drusuö gegen die Katt en (Hessen), Brukterer, Mar-
sen, Cherusker u. a. deutsche Völkerschaften. Schon war er tief
ins Land gedrungen, als ein riesenhaftes Zauberweib sich vor ihn
stellte und ihm drohend die Worte zurief: „Wohin noch strebst du,
unersättlicher Drusus! Alle unsere Länder möchtest du
sehen, aber das Schicksal will es nicht. Fliehe von dan-
nen!" Geschreckt wich Drusus zurück, und mit seinem Rosse stürzend,
fand er den Tod. Vergebens suchte sein Bruder Tiberius diese
Völker an sich zu locken, und später wurde Varus als Statthalter
an den Rhein geschickt. Dieser kluge Mann sollte die deutschen Wilden
an römische Sitten gewöhnen, indem er hoffte, daß sie ihre Freiheit
jener Cultur opfern würden.
Varus verlegte sein Hauptlager auf das rechte Rheinufer, brachte
ifyrten allerlei Geschenke und nahm viele in römische Kriegsdienste. Er
ward aber bald dreister, verlegte sein Lager bis über die W es er ins Land
der Cherusker und fing, durch S eg est, ein verrätherisches Ober-
haupt dieses Volkes, unterstützt, sogar an, den Herrn zu spielen, römi-
sches Gerichtswesen gewaltsam einzuführen und den freien Deutschen
Stockschläge und Henkerbeil aufzudringen. Da regte sich der Groll
betrogener Gutmüthigkeit bei dem Volke, und es dachte darauf, den
zudringlichen Fremdling los zu werden. Unter dem Volke der Che-
rusker stand ein Jüngling auf, der schon eine Zeit lang in römischen
Heeren gedient, die Kunst des Krieges gelernt und selbst die römische
Ritterwürde erlangt hatte. Er hieß Hermann oder Armin. Ein
schöner und gewaltiger Held, edeln Geschlechtes, untadelig an Sitten,
klug wie wenige seines Volkes, von feuriger Beredsamkeit und glühend für
die Freiheit, gewann er leicht die Herzen aller freigesinnten Männer und
Jünglinge, und war der Stifter einer großen Verschwörung. In einer
nächtlichen Versammlung im Walde schwuren sie allen Römern in Deutsch-
land den Untergang. So geheim indeß diese Unternehmung betrieben
wurde, so erfuhr sie doch Segest, und weil dieser ehrgeizige Mann
nichts so sehr als die Freiheit des Volkes haßte und überdem mit
Armin, der ihm seine schöne und fteigesinnte Tochter Thusnelda ent-
führt hatte, in bitterer Fehde lebte, so verrieth er sogleich das ganze
Vorhaben. Varus aber lachte darüber und hielt die Deutschen für dümmer
und sich für mächtiger, als daß er irgend eine Gefahr hätte fürchten dürfen.