1853 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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sie einen Topf Wasser nahm und den Kaiser damit begoß. Durch-
näßt, doch ganz gelassen, verließ er das Bäckerhaus. Mittags schickte
er durch einen Diener der Frau einige Schüsseln mit Essen und ließ
ihr sagen, das schicke der Soldat, den sie Vormittags so unfreundlich
behandelt habe. Als dieselbe erfuhr, daß der Geschimpfte der Kaiser
sei, lief sie eilend hinaus, warf sich Rudolphen zu Füßen und Lat um
Verzeihung. Er aber belegte sie mit der Strafe, daß sie den ganzen
Vorfall der Gesellschaft nochmals erzählen mußte. —
Gern hätte Rudolph vor seinem Tode seinen Sohn Albrecht zu
seinem Nachfolger erwählt gesehen; aber hierin waren ihm die deut-
schen Fürsten nicht zu Willen. Er starb 1291 zu Germersheim.
Rudolph von Habsburg war der Gründer der Macht des
Habsburgischen Hauses, aus welchem die jetzigen Kaiser von
Oesterreich stammen.
19. Der Graf von Habsburg.
Zu Aachen in seiner Kaiserpracht,
Im alterthümlichen Saale,
Saß König Rudolph's heilige Macht
Beim festlichen Krönungsmahle.
Die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins,
Es schenkte der Böhme des perlenden Weins,
Und alle die Wähler, die Sieben,
Wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt,
Umstanden geschäftig den Herrscher der Welt,
Die Würde des Amtes zu üben.
Und rings erfüllte den hohen Balkon
Das Volk in freud'gem Gedränge;
Laut mischte sich in der Posaune Ton
Das jauchzende Rufen der Menge:
Denn geendigt nach langem verderblichen Streit,
War die kaiserlose, die schreckliche Zeit,
Und ein Richter war wieder auf Erden.
Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer,
Nicht fürchtet der Schwache, der Friedliche mehr,
Des Mächtigen Beute zu werden.
Und der Kaiser ergreift den goldnen Pokal
Und spricht mit zufriedenen Blicken:
„Wohl glänzet das Fest, wohl pranget das Mahl,
Mein königlich Herz zu entzücken;
Doch den Sänger vermiss ich, den Bringer der Lust,
Der'mit süßem Klang mir bewege die Brust
Und mit göttlich erhabenen Lehren.
So hab ich's gehalten von Jugend an,
Und was ich als Ritter gepflegt und gethan,
Nicht will ich's als Kaiser entbehren."
Und sieh! in der Fürsten umgebenden Kreisi
Trat der Sänger im langen Talare.
Ihm glänzte die Locke silberweiß,
Gebleicht von der Fülle der Jahre.