1853 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Ungeachtet des Augsburger Religionsfriedens blieb aber die Er-
bitterung der Parteien, so daß zuletzt ein weit furchtbarerer Krieg, der
dreißigjährige Krieg (von 1618 — 1648) hereinbrach. Alle
Schrecknisse der Verheerung, des Raubes, Brandes und Mordes wur-
den in diesem Kriege über das unglückliche deutsche Vaterland verhängt
— durch die kaiserlichen Schaaren unter Tilly und Wallen-
stein sowohl, als durch die Dänen unter Christian Iv., die Schwe-
den unter Gustav Adolph und die Franzosen unter Türenne
und Condo. Ströme von Blut wurden vergossen, wehrlose Weiber
und Kinder ermordet und Städte und Dörfer verwüstet. Wo früher
Wohlstand blühte, herrschte Roth und Elend, ganze Gegenden waren
entvölkert, Räuber und wilde Thiere hausten, wo früher der Pstug
gegangen war, und machten Wege, Dörfer und Städte unsicher, und
erst nachdem Deutschland eine große Einöde geworden, kam zu Mün-
ster und Osnabrück der weftphälische Friede zu Stande (1648),
in welchen den Protestanten gleiche Rechte mit den Katholiken einge-
räumt und zugleich festgesetzt wurde, daß sie alle Kirchen und Kirchen-
güter behalten sollten, die sie seit dem Jahre 1624 besaßen. Dort,
wo Hermann einst die Legionen des Varus schlug und sein Vaterland
von der Herrschaft der Römer befreite, da beugte jetzt Deutschland sei-
nen Nacken und ließ von beutelustigen Fremden sich einen schmachvollen
Frieden diktiren, denn verschiedene Theile wurden jetzt vom deutschen
Reiche abgerissen. Frankreich erhielt das schöne Elsaß; Schweden
bekam einen Theil von Pommern und die Insel Rügen und außer-
dem 5 Millionen Thaler Kriegsentschädigung. Die ver-
einigten Niederlande wurden als neuer Staat vom deutschen Reichs-
verbande losgerissen und die Unabhängigkeit der Schweiz von Deutsch-
land anerkannt.
Als daher die Friedenstrompeten das Ende des 30jährigen Krieges
durch Deutschland verkündeten, da tönten wohl die Glocken hinab in
die Straßen, um einzuladen zum Dankgebet im Tempel des Herrn.
Aber man sah nicht zahlreiche, fröhliche Schaaren herbeieilen zum Got-
teshause; denn mehr als die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands war
nicht mehr. Väter und Brüder waren im Kriege gefallen, Mütter
und Töchter hatte der Gram verzehrt und Kinder und Enkel der Hun-
ger dahin gerafft.
Die deutsche Kaiserwürde, die einst die erste in der Christenheit
gewesen, stand jetzt machtlos da, und Deutschland war durch seine
Zwietracht den Ausländern gegenüber so herabgewürdigt und geschwächt,
daß Franzosen von da an ungestraft mehrere Gewaltthaten aus deut-
schem Boden verübten — daß sogar die Türken bis vor Wien in
Deutschland eindrangen und die Residenz des deutschen Kaisers vom
14. Juli bis zum 12. September 1683 belagerten und namen-
losen Jammer über so viele Familien brachten. Denn Tausende von
Männern, Frauen, Knaben und Mädchen steten entweder unter den