1853 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Das war das Schönste Lei diesem heiligen Eifer und fröhlichen
Gewimmel, daß alle Unterschiede von Ständen und Klassen,
von Altern und Stufen vergessen und aufgehoben waren; daß
jeder sich demüthigte und hingab zu dem Geschäfte und Dienste, wo er
der brauchbarste war; daß das eine große Gefühl des Vaterlandes
und seiner Freiheit und Ehre alle anderen Gefühle verschlang. Die
Menschen fühlten es: sie waren gleich geworden durch das lange Un-
glück, sie wollten auch gleich sein im Dienst und im Gehorsam. Und
so sehr erhob die heilige Pflicht und das gemeinsame Streben, wovon
sie beseelt waren, alle Herzen, daß das Niedrige, Gemeine und Wilde,
dem in getümmelvollen Zeiten der Bewaffnungen und Kriege eine so
weite Bahn geöffnet ist, nicht aufkommen konnte. Die heilige Begei-
sterung dieser unvergeßlichen Tage ist durch keine Ausschweifung und
Wildheit entweiht worden, es war, als fühlte auch der Kleinste / daß
er ein Spiegel der Sittlichkeit, Bescheidenheit und Rechtlichkeit sein
müsse, wenn er den Übermuth besiegen wollte, den er an den Fran-
zosen so sehr verabscheut hatte.
Was die Männer so' unmittelbar unter den Waffen und für die
Waffen thaten, das that das zartere Geschlecht der Frauen durch stille
Gebete, inbrünstige Ermahnungen, fromme Arbeiten, menschliche Sor-
gen und Mühen für die Ausziehenden, Kranken und Verwundeten.
Die Zahl derer aber, welche Geldsummen oder Hab und Gut, Ohr-
und Fingerringe, Kleidungsstücke, Betten und Mittel zum Verbände
der Verwundeten spendeten, oder auf ihre Kosten Freiwillige kleideten
und ausrüsteten — ist Legion. Eine schlesische Jungfrau schnitt sich
— weil sie nichts anderes zu geben hatte — ihr schönes Haar ab
und gab den Erlös hin als Beitrag zur Ausrüstung der Freiwilligen
oder zur Pstege der Verwundeten. Männer und Frauen wetteiferten
mit einander in dem edlen Bestreben, dem Aufrufe des verehrten Lan-
desvaters zu entsprechen, und Preußen ist den übrigen Deutschen da-
mals ein würdiger Vertreter und das erste Beispiel der
Freiheit und Ehre geworden. Die Begeisterung, welche Preu-
ßen bewegte, zündete aber auch in dem ganzen übrigen Deutschland.
Von den fernsten Grenzen des Südens bis zum Norden und Westen,
wo immer nur deutsche Zungen redeten und deutsches Blut in den
Adern rollte, da wiederholte sich derselbe Sinn, dasselbe Streben bei
Jung und Alt, in jedem Stande und in jedem Geschlechte. Keiner
wollte hinter dem andern zurückbleiben, und in der That — nur durch
dieses ruhmwürdige Zusammenwirken des ganzen deutschen
Volkes, dem sich Unzählige, auch über die Landesgrenze hinaus, an-
schlossen, ist es möglich geworden, Siege zu erkämpfen, wie sie die
Geschichte erzählt von den Tagen bei Groß beeren (23. August),
an der Katzbach (26. August), bei Dennewitz (6. September) und
bei Leipzig (16., 18. und 19. Oktober).