1853 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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und Norwegen gemacht wird und einen Hauptartikel des Handels mit
den Lappländern bildet. Viel von diesem Tuche wird auch von den
Küstenlapplandern gewoben, die es gegen Rennthierfelle an die
Gebirgslappen vertauschen, um aus den Fellen ihre Winterkleider und
Betten zu machen. Das von ästigen Birkenstämmen unterstützte Zelt
bildet die einzige Wohnung, und unter diesem schwachen Gedeck hält der
Lappländer die lange dauernde, strenge Kälte der Wintermonate in den in-
neren Gegenden aus. Die Höhe des Zeltes ist ungefähr 6 Fuß, und
der ganze Umfang des Innern übersteigt selten 15 bis 18 Fuß. In
diesen engen Raum drängen sich der Lappländer, sein Weib und seine
Kinder und sehr oft eine zweite Familie, die Mitbesitzer der Heerde ist,
zusammen und lassen noch Ecken für ihr einfaches Hausgeräth, als
Näpfe, eiserne Töpfe, Löffel, hölzerne Kästchen u. s. w. übrig. Dabei
bleibt immer noch ein Plätzchen für die Hunde, die treuen Wächter der
Heerde, welche ich zu Zwanzigen als Genossen eines Zeltes gesehen habe,
wovon freilich viele auf den Leibern ihrer Herren eine bequeme Ruhe-
stätte fanden. In der Mitte ist das Feuer, von einigen großen Stei-
nen eingeschlossen; ein Theil des Rauches geht oben durch die Öffnung
des Zeltes, der übrige erfüllt den untern Raum fast immer mit einer
dichten Wolke, hüllt die Bewohner gänzlich ein, daß der Eintretende
sie kaum erkennt, und fällt dem Fremden beißend auf die Augen. Mir
war der höchste Grad von Kälte noch erträglicher vorgekommen, als eine
Stunde ist einem lappischen Zelte. Oben an der Spitze des Zeltes, dicht
an der Öffnung für den Rauch, ist eine Art Reck aufgehangen, worauf
die Käse gelegt werden, um schneller zu trocknen. Das Innere des
Zeltes ist gewöhnlich mit Birkenzweigen, an welchen das Laub gelassen
ist, bestreut und darauf eine Decke von Rennthierfellen gelegt, welche
dem Lappländer in allen Jahreszeiten zum Bette dient. Der einzige
Eingang zum Zelt ist durch eine schmale Öffnung oder einen Schlitz
an der einen Seite, vor welcher ein Lappen hängt, welcher, in die
Höhe gehoben, von selbst wieder in seine vorige Lage zurückfällt und
die äußere Lust abhält.
Der Lappländer ist sowohl von Natur als aus Noth ein Nomade.
Da sein Unterhalt völlig von seinen Rennthieren abhängt, welche
ganz frei und sich selbst überlassen sind, so kann man sagen, daß seine
Bewegungen durch sie geleitet werden, und daß seine ganze Lebensweise
durch sie bestimmt wird. Die Anzahl der Rennthiere, die zu einer
Heerde gehören, ist von 300 bis 500 ; mit einer solchen Heerde kann
ein Lappe sich Wohlbefinden und leidlich leben. Er kann im Sommer
eine hinreichende Menge Käse machen für das Bedürfniß des Jahres,
und im Winter kann er so viele Rennthiere schlachten, daß er und seine
Familie fast beständig Fleisch essen können. Mit 200 Rennthieren kann
ein Mann mit kleiner Familie sich so einrichten, daß er auskommt.
Besonders malerisch und für Lappland charatteristisch ist der Anblick
des Melkens, wenn sich die Heerde zur Abendzeit um das^ Zelt ver-