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1. Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde - S. 324

1853 - Essen : Bädeker
324 Orinoco, liegt die unter den Indianern weit berufene Höhle von Ataruipe. Die Gegend umher hat einen großen und ernsten Natur- charakter, die sie wie zu einem Nationalbegräbnisse eignet. Man er- klimmt mühsam, selbst nicht ohne Gefahr in eine große Tiefe hinabzu- rollen, eine steile, völlig nackte Granitwand. Kaum ist die Kuppe er- reicht, so wird man durch eine weite Aussicht über die anliegende Ge- gend überrascht. Aus dem schäumenden Flußbette erheben sich mit Wald geschmückte Hügel. Jenseit des Stromes, über das westliche Ufer hin- weg, ruht der Blick auf einer unermeßlichen Grasflur. Am Horizont erscheint, wie ein drohend aufziehendes Gewitter, das Gebirge Uni am a. So die Ferne; nahe umher ist alles öde und eng. Im tief gefurchten Thale schweben einsam die Geier. An der nackten Felswand schleicht ihr schwindender Schatten hin. Dieser Kessel ist von Bergen begrenzt, deren Gipfel ungeheure Granitkugeln tragen. Der Hintere Theil des Felsthales ist mit dichtem Laubholz bedeckt. An diesem schattigen Orte öffnet sich die Höhle von Ataruipe: eigentlich nicht eine Höhle, son- dern ein Gewölbe, eine weit überhangende Klippe, eine Bucht, welche die Wasser, als sie einst diese Höhle erreichten, ausgewaschen haben. Dieser Ort ist die Gruft eines vertilgten Volkstammes. Wir zählten ungefähr 600 wohlerhaltene Skelette in eben so vielen Kör- den , die von den Stielen des Palmenlaubes gestochten sind. Unsere Dolmetscher konnten keine sichere Auskunft über das Alter dieser Ge- fäße geben. Die mehrsten Skelette schienen indeß nicht über hundert Jahre alt zu sein. Es geht die Sage unter den Guaraca-Jndi- anern, die tapfern Aturer haben sich, von menschenfreffenden Karai- b en*) bedrängt, auf die Klippen der Wasserfälle gerettet; ein trauriger Wohnsitz, in welchem der bedrängte Völkerstamm und mit ihm seine Sprache unterging. In dem unzugänglichsten Theile des Wasserfalles befinden sich ähnliche Grüfte; ja es ist wahrscheinlich, daß die letzte Familie der Aturer spät erst ausgcstorben sei. Denn in Maypures lebt noch ein alter Papagei, von dem die Eingebornen behaupten, daß man ihn darum nicht verstehe, weil er die Sprache der Aturer rede. Kalt und starr, als ob sein Bildniß Fortgedrängt aus seinen Landen, Aus dem Stein gehauen sei. Floh es diesen Klippen zu. Schäumend drängt durch Felsendämme Und es starben die Aturen Äs. Der Aturen-Papagei In der Orinoco-Wildniß Sitzt ein alter Papagei, Unten wo die Wogen branden, Hält ein Volk die ew'ge Ruh; Sich des Stroms zerriss'ne Fluth Drüber wiegen Palmenstämme Sich in heit'rer Sonncngluth. Wie sie lebten frei und kühn; Ihres Stammes letzte Spuren Birgt des Uferschilfes Grün. In den Wasserstaub verwebet Sich der Sonne Farbenspiel. Wie hinein die Welle strebet, Nie erreichet sie das Ziel; Der Aturen allerletzter Trauert dort der Papagei; Am Gestein den Schnabel wetzt er, Durch die Lüfte tönt sein Schrei.
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