1853 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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verursacht? Wer wird für dieses sonderbare Vergnügen noch Geld
ausgeben und dazu die theuren Rauchgefäße — Tabakspfeifen genannt —,
aus Meerschaum oder Porzellan, Maserholz oder Thon geformt, mit
theuren Bernsteinspitzen versehen, sich anschaffen und sie mit Silber
beschlagen und mit allen möglichen berühmten Männern und Frauen
ausschmücken oder bemalen lassen? Wer wird sich dazu hergeben, seine
Nase mit dem gehackten, beißenden Schnupftabake anzufüllen? Wer
wird sich gar entschließen können, die abscheulichen braunen Tabaks-
blätter in den Mund zu nehmen und mit Wohlgefallen zu kauen?
Wer? — O, unsere jungen Leute können kaum warten, bis sie mit
der Pfeife oder Cigarre im Munde ihr theures Geld in die Luft blasen
dürfen, bis sie eine Dose in der Tasche haben; wer aber Tabakskauer
sehen will, gehe nur auf die Schiffe zu den Matrosen, gehe nach
Nordamerika, wo gar reputirliche Leute es nicht für ekelhaft halten,
die saftigen braunen Tabaksknollen im Munde zu sichren! Ein wahres
Tabaksfieber hat sich über die ganze civilistrte und uncivilisirte Welt
verbreitet; der Türke und Chinese, der Araber wie der Mongole
raucht mit dem feinen Pariser, dem deutschen Studenten und
Handwerks burschen um die Wette. Alles raucht, schnupft, kaut
Tabak. Nicht zu zählen sind die Millionen von Cigarren, die all-
jährlich von jungen und alten Leuten, in dem Munde halb zerkaut,
dem Feuer übergeben werden und in einen Rauch aufgehen, der nicht
bloß die Augen verdirbt, sondern die Luft in Stuben und Gärten mit
den Dünsten der verbrannten Tabaksblätter aus Havanna, Virgi-
nien, Portorico u. s. w. verpestet! Nicht zu zählen sind die Tau-
sende von Tabakssorten, von dem Portorico und Varinas bis zu
dem Dreikreuzerpäckchen des österreichischen Dreikönigstabaks
und den gedrehten Rollen des Berliner Kraustabaks herab, welche
der erfinderische Menschengeist mit tausend sonderbaren Namen und
Etiketten versehen hat!
Seitdem im Jahre 1585 die Engländer zum ersten Male bei den
Wilden in Virginien (in Nordamerika) thönerne Pfeifen gesehen, be-
gann auch in Europa das Rauchen. Es half nichts, daß der dama-
lige ftanzösische Gesandte am porttlgiesischen Hofe seiner Königin Ka-
tharina von Medicis die Pfianzenblätter nur als Heilmittel für Wunden
geschickt hatte; man hatte einmal angefangen zu rauchen , und die streng-
sten obrigkeitlichen Befehle und Abmahnungen der Ärzte waren nicht
im Stande, diese Unsitte zu verdrängen! Leider raucht und schnupft
man jetzt allgemein, und selbst das Rauchen auf den Straßen ist in
vielen Städten jetzt erlaubt. Man hat auch versucht, das für Ankauf
des Tabaks außer Landes gehende Geld durch Tabakspflanzungen im
Lande zu behalten, und zieht in der Pfalz, in Ungarn und in
Sachsen Tabak; allein noch immer werden als die besten die ame-
rikanischen Tabaksblätter, wohl getrocknet und in ungeheuern Fässern
fest verpackt bei uns eingefichrt. Die Hauptsachen sind allerdings dann