1853 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
387
wollte den Cyrus mit seinen Persern vernichten. Er wurde von Cyrus
geschlagen, seine Stadt Sardes von den Persern erobert und Krösus
gefangen. Man errichtete einen Scheiterhaufen, um Krösus zu verbren-
nen. In den Flammen schrie der Unglückliche: „O Solon! Solon!
Solon!" — Cyrus wurde begierig zu wissen, wen er riefe, befahl
den Scheiterhaufen zu löschen und den Krösus vorzuführen. Dieser
erzählte: „O Cyrus! es werden wenige Menschen sein, die vom Glück
so hoch erhoben und von ihm so tief gestürzt worden sind, als ich. Ich
habe ein großes Reich beherrscht und war der reichste König von Asien.
Ich glaubte auch, ich wäre der glücklichste. Einst kam ein weiser Mann
aus Griechenland, mit Namen Solon, zu mir. Ich ließ ihm alle
meine Schätze zeigen und war eitel genug zu hoffen, er werde über
meine Reichthümer erstaunen und mich glücklich preisen. Als er aber
schwieg und das alles nur ansah, wie Sand und Kieselsteine, sagte ich
zu ihm: Solon! du bist so weit in der Well herumgereist und hast
so viele Menschen gesehen; sage mir: wen hältst du für den glücklich-
sten? Solon antwortete: Einen Bürger von Athen, Tellus. Ich
wunderte mich, daß er einen gemeinen Bürger mir vorzöge, und fragte
weiter, warum er den für glücklich hielte. Er sprach: dieser Tellus hat
sein genügendes Auskommen, gelangte glücklich und zufrieden zu einem
hohen Alter und starb einen rühmlichen Tod für sein Vaterland. Er
hatte ein schönes Ende. — Als ich das hörte, fuhr Krösus fort, konnte
ich meinen Verdruß nicht länger halten, sondern sagte: Solon, so sehr
verachtest du meine Glückseligkeit, daß du diesen mir vorziehest? Und
Solon antwortete: O Krösus, in einer langen Zeit muß der Mensch
vieles sehen, was er nicht zu sehen wünscht, und vieles leiden, was er
gern abwenden möchte. Du, o Krösus, List ein Herr vieler Gi'ller und
vieler Völler; aber ich werde dich nicht eher glücklich preisen,
bis ich weiß, daß du auch ein glückliches Ende gehabt habest; denn
man darf keinen Menschen vor seinem Ende glücklich prei-
sen. — So sprach der Weise; aber ich verachtete ihn und ließ ihn
nie wieder vor mich. Von der Zeit ging mir alles übel; mein ältester
Sohn war stumm; mein zweiter ward mir von einem Freunde umge-
bracht; alle Städte, Länder, Völker und Reichthümer habe ich verloren
und bin jetzt selbst in deiner Gewalt. Nun weißt du, warum ich den
Solon rief; mache jetzt mit mir, was dir gut scheint."
Cyrus, hierdurch an den möglichen Wechsel des eigenen Schicksals
erinnert, schenkte dem Krösus das Leben und behielt ihn als Freund
und Rathgeber bei sich.
3. Das hölzerne Pferd.
In uralter Zeit belagerten die Griechen die Stadt Troja, welche
unweit der Küste, in Kleinasien lag. Viele griechische und troja-
nische Helden verloren dabei ihr Leben. Nachdem die Griechen lange
erfolglos die Stadt bestürmt hatten, rieth ein Seher, es nunmehr
25---