1855 -
Mainz
: Kirchheim
- Autor: Hepp, J.
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Bei manchen Schlangen tobtet dieser Biß aus der Stelle, bei andern er-
folgt der Tod erst einige Zeit nachher; bei noch andern bringt der Biß
bloß Geschwulst hervor, oder tobtet nur zuweilen. Die Wilden essen selbst
giftige Schlangen ohne Nachtheil, wenn diese nicht etwa sich selbst ge-
bissen haben. Hebel.
17. Die Riesenschlange.
Ein holländischer Offizier, der sich in Ceylon aufhielt, erzählt:
,,Ich wohnte am Ende der vornehmsten Stadt dieser Insel und
hatte die Aussicht auf den naheliegenden Wald. Nicht weit von
meiner Wohnung war ein kleiner Hügel, auf welchem drei bis vier
Palmbäume standen, deren Anblick mir alle Morgen viel Vergnügen
machte. Als ich einstmals des Morgens meine Augen auf sie ge-
richtet hatte, schien mir ein dicker Zweig auf demselben allerlei
wunderliche Bewegungen zu machen; er drehte sich von einer Seite
zur andern, neigte sich auf die Erde herab, hob sich wieder in die
Höhe und verlor sich unter den andern Zweigen. Kein Wind wehte,
die Luft war gänzlich still, und ich hatte allerhand Gedanken über
diese Erscheinung, als mich ein Ceylonese besuchte. Ich zeigte ihm,
was mich in Verwunderung setzte. Er sah nach den Bäumen hin,
wurde ganz blass im Gesichte und wollte vor Schrecken zur Erde
sinken. Er bat mich, dass ich den Augenblick alle meine Fenster
und Thüren zumachen und verriegeln sollte; denn was ich für den
Zweig eines Baumes halte, sei eine ungeheure Schlange, die sich an
solchen Bewegungen belustige. Ich erkannte bald, dass er recht
hatte; denn nicht lange darauf sah ich, dass sie ein kleines Thier
von der Erde haschte und mit sich unter die Zweige des Baumes
nahm. Wir versammelten uns hierauf, zwölf Personen an der Zahl,
und ritten wohlbewaffnet hinter ein dichtes Gebüsch , wo wir die
Schlange mit unsern Flinten erreichen konnten. Als wir sie nun in
der Nähe betrachteten und ihre ungeheure Grösse wahrnahmen, er-
griff uns alle ein Schauder, und keiner wagte einen Schuss zu thun,
weil man sie zu verfehlen fürchtete. Alle Ceylonesen, die bei mir
waren, gestanden, dass diese Schlange alle, die sie je gesehen hätten,
an Grösse überträfe. Sie war dicker als der Leib eines mageren
Menschen, schien aber nicht fett zu sein, und war im Verhältniss
ihrer Dicke sehr lang. Mit ihrem Schwanz hing sie sich an einen
der obersten Zweige des Baumes und mit dem Kopfe reichte sie bis
zur Erde. Sie war ausserordentlich geschwind und machte in einem
Augenblicke mit ihrem Körper tausend Wendungen. Sie kam herab,
wickelte den Schwanz um den Stamm des Baumes, legte sich der
Länge nach auf die Erde und in einem Augenblicke hatte sie sich
unter den Aesten des Baumes verloren. Mitten unter diesen Luft-
sprüngen sahen wir, dass sie sich mit ungemeiner Schnelligkeit zu-
rückzog und sich in die Zweige hinlegte. Wir bemerkten bald die
Ursache hievon; ein kleiner Fuchs , den sie unstreitig gesehen hatte,
wollte unter dem Baume vorbeigehen; allem die Schlange schoss auf
ihn herab und hatte ihn in einigen Augenblicken ausgesogen. Mit
ihrer breiten, schwärzlichen Zunge leckte sie an seinem Fleische
herum und legte sich auf die Erde gemächlich nieder; doch, blieb
der Schwanz immer um den Stamm des Baumes gewickelt. Wir
betrachteten sie genau, und als wir uns an ihrem Anblick satt ge-
sehen hatten, schossen ivir nach ihrem Kopfe; allein wir trafen sie
nicht, und sie verrieth auch nicht die geringste Furcht, sondern