1855 -
Mainz
: Kirchheim
- Autor: Hepp, J.
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Christus ausgaben, veranlaßten viele Empörungen im jüdischen
Lande. Kaiser Nero sandte den tapferen Feldherrn Vespa sian
zur Unterdrückung des Aufstandes nach Judäa. Da starb Nero
und Vespasian wurde auf den kaiserlichen Thron erhoben. Er er-
nannte nun seinen Sohn Titus zum Anführer der römischen Macht
im jüdischen Kriege. Im Jahre 70 zog der neue Feldherr Titus
mit großer Heeresmacht vor die heilige Stadt, in welcher, weil
es gerade um Ostern war, sich an drei Millionen Menschen befan-
den. Statt nun einig zu sein gegen die mächtigen Römer, entspann
sich ein blutiger Bürgerkrieg im Innern der Stadt. Ueberspannte,
herrschsüchtige Volksführer, wie Johann von Gisch ala und
Simon, plünderten und verheerten die Stadt und zwangen die
Einwohner zu blutigen und schrecklichen Auftritten. Der Bürger-
krieg im Innern und die Belagerung von Außen versetzten die Ein-
wohner in gränzenloses Elend, und der Hunger und die Pest rafften
viele Tausende hinweg, welche erstere Uebel verschont hatten. Täg-
lich wurden von den Römern über fünfhundert Juden, die bei den
häufigen Ausfällen gefangen wurden, gekreuzigt; Anderen schnitt
man lebendig den Leib auf, um verschlucktes Gold in den Gedärmen
zu suchen. Die Hungersnoth in der Stadt war so groß, daß man
nicht nur an dem Leder der Schilde nagte und Heu aß, sondern
auch das Fleisch der schon begrabenen Leichname verzehrte; ja eine
Mutter kochte sogar ihr eigenes Kind zur Speise. Die Todten
konnten nicht mehr begraben werden und wurden entweder über die
Stadtmauern hinausgeworfen oder blieben in den Häusern liegen.
Ein Augenzeuge sagt: „Keine Stadt hat je so viel gelitten. Gott
selbst war es, der das ganze Volk verdammt hatte, aber es war
auch nie ein lasterhafteres Volk auf Erden, als dieses." Schon
waren mehrere Stadttheile von den Römern erobert; aber die
Juden ergaben sich nicht. Nun wurde die Stadt in Brand gesteckt;
nur der Tempel sollte auf Titus Befehl erhalten werden. Doch
ein Soldat, über den hartnäckigen Widerstand der Juden ergrimmt,
schleuderte eine brennende Fackel in den Tempel und das Heilig-
thum der Juden wurde von den Flammen verzehrt. Titus befahl
zwar zu löschen, aber Niemand gehorchte. So war denn an der
Stadt und an dem Tempel die Weissagung des Herrn wörtlich in
Erfüllung gegangen und kein Stein auf dem andern geblieben; denn
selbst das Fundament des Tempels wurde aus dem Boden gehoben.
Niemand durfte sich auf dem Orte, wo Jerusalem gestanden, an-
bauen. Die Ueberwundenen wurden theils hingerichtet, theils als
Sklaven verkauft oder für den Triumph des römischen Feldherrn
nach Rom abgeführt. Das verblendete Volk war seiner Bestim-
mung untreu geworden und deßhalb zog der Herr seine Hand
von ihm ab. Das Blut Jesu war über sie und ihre Kinder gekom-
men. Diejenigen, welche der Rache der Römer entkamen, zerstreuten
sich in alle Welt als lebendige Zeugen menschlicher Verblendung
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