1855 -
Mainz
: Kirchheim
- Autor: Hepp, J.
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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blühende Gegend vor sich hatten. Und wirklich hat die weiße Lilie
auch eine solche Schönheit, daß sie sich, wie sie es verdient, nicht be-
schreiben läßt. Doch zur Augenlust allein öffnet sich die herrliche
Blume nicht, das gefühlvolle Gemüth wird auch von ihrer Anmuth
eigenthümlich angeregt. Es fällt bei ihrem Anblicke dem Betrachter
der obige Spruch ein; er denkt an Den, welcher das unschuldige
Weiß mit der edlen Gestalt der Lilien vereinigte und in ihr der
Blumenwelt eine unvergleichliche Zierde zugesellte, die auf dem
schmalen Gartenbeete Zeugniß von seiner Allmacht gibt so gut, wie
das glänzende Gestirn im endlosen Himmelsraume. Man hat in der
Lilie eine Blüthe desjenigen Landes vor sich, an das sich der theuren
Erinnerungen so viele knüpfen. Das Auge, welches sich am Kreuze
schloß, sah mit Wohlgefallen auf die reine Blume; sie wurde aus so
vielen der blühenden Flur erwählt, die Vorsehung und immer fort-
währende Liebe des Vaters im Himmel gegen die Menschen augen-
scheinlich und gleichsam handgreiflich zu machen. Dies allein schon
gibt ihr einen Vorzug vor allen Blumen und hat sie wohl nebst der
Schönheit zum Liebling der Künstler und Dichter erhoben, welche den
Engeln und Verklärten den blühenden Lilienstengel in die Hand ge-
den als Sinnbild der Reinheit und des ewigen Friedens. Wirklich
stebt sie im weißen Gewände auch wie ein Englein unter den übrigen
Blumen des Gartens da, freundlich und hold. Die zerstreut stehen-
den Blätter des Stengels schmiegen sich an diesen an und erscheinen
gleichsam darum als sparsame Beigabe der Pflanze da zu sein, damit
der Blick desto mehr auf die Blumenkrone selbst gelenkt werde. Wenn
sich dieselbe vollständig entfaltet hat und du trittst, junger Leser, in
der Frühe eines heiteren Sommermorgens in den Garten, wo die
meisten Blumen noch im geschlossenen Kelche schlummern, während
der Himmel im rothen Lichte strahlt, die einzelnen farbigen Wölkchen
über Saaten und Aernten dabin schweben und in den Tag einziehen,
dem die Lerche entgegen jubelt; so ist der blühende Lilienstock gewiß
nicht das Letzte, zu welchem du gehst. In den zarten Glocken reihen
sich die sechs Staubfäden im Kreise um den Stengel, und der gelbe
Blumenstaub an den Spitzen sticht angenehm zu den weißen Blättern
ab, die von glänzenden Thautropfen übergössen sind. Du erfreust
dich des wohlriechenden Duftes der Lilie, siehst wohl unwillkürlich
dabei zum heiteren Himmel, unter dem die Stimmen der Vögel laut
werden, betrachtest wieder die schöne Blume auf dem Beete und denkst
Etwas, das sich leicht errathen läßt. Besäße ich ein Hausgärtchen,
der Lilienstock dürfte keinesfalls darin fehlen.
Die Liliengewächse haben an der Wurzel eine Zwiebel. In der
Reihe dieser Pflanzen finden sich nebst der gelben Feuerlilie und dem
in Gebirgswaldungen wachsenden Türkenbund noch beliebte Blumen,
wie die Hyacinthen, Tulpen, die stattliche aber giftige Kaiserkrone,
die Zaunlilie und die gelbe Vogelmilch. Auch die Arten des Lauchs
und die Zwiebel wollen wir hier anführen, ebenso die Narcissen, Ta-