1855 -
Mainz
: Kirchheim
- Autor: Hepp, J.
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Wie ganz anders aber erscheint neben dem leichten, gewandten
Reitpferde dessen Bruder vor dem beladenen Wagen, dem Pfluge
oder gar als Lastträger! Die harte Arbeit hat ihm ein schwerfälliges
Wesen gegeben; sein Kopf ist gesenkt, der Schritt nicht im ent-
ferntesten anmuthig; kurz es kündigt in Allem den nützlichen Arbeiter
an, dessen Tagewerk anstrengend ist. Mit auf- und abwärtsgehenden
Bewegungen des Kopfes und den Hufspitzen zuerst auftretend, zieht
es erstaunliche Lasten; oft fahren unter der Wucht seiner Tritte die
Feuerfunken aus dem Pflaster, zumal wenn es eine schwere Ladung
gegen eine Anhöhe zu ziehen hat, wobei es im Eifer die Schritte be-
schleunigt. Leider fällt manchen Fuhrleuten der Wahlspruch, den
man dem Pferde in den Mund gelegt hat, im ganzen Leben nicht ein:
Den Berg hinauf treib' mich nicht, den Berg hinab reit' mich nicht,
und auf dem Gleichen (ebenen Boden) schon' mich nicht! Das Erste
ist besonders zu beherzigen. Ueberhaupt sollte diesem Thiere die
Fortbringung ungebührlicher Lasten nicht zugemuthet werden; denn
ungeachtet seiner Größe, Raschheit und Stärke ist cs von sehr
empfindlicher Gesundheit und ebenso leicht Krankheiten aller Art
unterworfen, wie der Mensch. Wird dies bei seiner Behandlung
während der Arbeit übersehen, ist gar seine Pflege und Wartung
ohne sorgfältige Aufmerksamkeit und strenge Regelung; so altert und
verkümmert das Pferd vor der Zeit, natürlich zu Schaden seines
Herrn.
Schon seit den ältesten Zeiten wurde das Pferd von dem Men-
schen in Dienst genommen und folgte ihm in alle Länder; es war ihm
nebst dem Hunde ein treuer Bundesgenosse bei Eroberung der Welt-
herrschaft, wurde seiner Brauchbarkeit, Anmuth und Schönheit wegen
sein Liebling, Gefährte und damit Theilhaber an Wohl und Wehe
seines Lebens. Die Pferdezucht beschäftigt als Quelle des Wohlstan-
des die Einwohner ganzer Landstriche; Staatsregierungen widmen der
Veredlung durch Gestüte gebührendes Augenmerk und der Künstler
stellt das Pferd in Bild und erhabener Arbeit vielfach dar. Die
schönste und edelste Race ist das arabische Pferd, welches in Mesopo-
tamien und Syrien zu Hause ist; auf dieses folgt das marokkanische
Pferd. Aus einer Vermischung beider entstand das englische Pferd,
dessen geschätzteste Sorte die sogenannten Vollblutspferde sind. Unter
den deutschen sind die friesischen, Holsteiner und Mecklenburger Pferde
die vorzüglichsten. Wilde Pferde kommen wohl nur noch in dem mitt-
leren Asien vor, verwilderte trifft man in den Steppen Südrußlands
östlich vom kaspischen Meere, in Nordafrika und Südamerika an.
Ein berühmter Reisender') gibt uns von letzterem folgende Schil-
derung: „Wenn unter dem senkrechten Strahl der niebewölkten
Sonne die verkohlte Grasdecke in Staub zerfallen ist, klafft der er-
härtete Boden auf, als wäre er von mächtigen Erdstößen erschüttert.
1) Humboldt.