1861 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: Reiser, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch, Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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ihrer Conmon bauen zu dürfen. Die Protestanten giengen hierin
aber bald weiter, als ihnen eingeräumt worden war, und erbauten
auf dem Gebiet des Erzbischofs von Prag und des Abts von Braunau
zwei Kirchen. Der Erzbischof und der Abt untersagten den Bau,
aber vergebens. Darauf ließ der Erzbischof, mit Bewilligung des
Hofes, die auf seinem Gebiet erbaute Kirche niederreißen, und der
Abt von Braunau ließ die dortige sperren. Dadurch wurden die
Protestanten auf's Höchste erbittert, drangen in das Schloß zu Prag
ein, warfen die kaiserlichen Räthe zum Fenster hinaus, kündigten
dem Kaiser den Gehorsam auf und drangen selbst m die österreichi-
schen Staaten ein.
In dieser gefahrvollen Zeit kam, nach dem Tode des Kaisers
Mathias, Ferdinand 11. auf den Thron. Dieser unterdrückte schnell
den Aufstand und verlangte durch das Restitutionsedikt (oder
Wiederherstellungsgesetz), daß die protestantischen Fürsten alle seither
eingezogenen katholischen Kirchengüter zurückgeben sollten. Die Pro-
testanten waren aber hiezu nicht geneigt, riefen den schwedischen
König Gustav Adolph um Hilfe an, und dieser landete bald
mit 15,000 Mann ausgesuchter Truppen in Deutschland. Er ver-
band sich mit den Protestanten und erhielt selbst von Frankreich
Unterstützung, woraus der Krieg mit der größten Heftigkeit fort-
geführt wurde. Schlachten um Schlachten wurden geschlagen; Städte
und Dörfer wurden eingeäschert, Mord und Raub waren überall
an der Tagesordnung. Zwei Drittheile der Bevölkerung Deutsch-
lands kamen während dieses unheilvollen Krieges durch das Schwert,
durch Seuchen, Hungersnoth und Elend aller Art um das Leben.
Die Fluren unseres unglücklichen Vaterlandes lagen öde; die einst
so wohlhabenden Städte waren verarmt; Handel und Gewerbe
lagen darnieder; Gottesdienst, Schulen und Iustizpflege hatten aus-
gehört; Noth und Elend waren allgemein: kurz, Deutschland stand
am Rand des Verderbens, und sein Wohl schien für alle Zukunft
vernichtet zu seyn.
Als Heerführer hatten sich in diesem Kriege auf Seite der Pr o te-
st anten nebst dem Könige Gustav Adolph, der in der Schlacht bei
Lützen, unweit Leipzig, das Leben verlor, Herzog Bernhard von Sachsen-
Weimar, kath olischerseits aber die Feldherren Wallenstein und
Tilly ausgezeichnet. Besonders aber ist es Letzterer, der durch seinen
Heldenmuth, seinen biedern Charakter und seine Frömmigkeit unsere
Hochachtung und Bewunderung in vollem Maaße in Anspruch nimmt.
Tilly war ein Mann von hagerer Statur mit derben Knochen,
eingefallenen Wangen, großer Nase und lebhaft blitzenden Augen.
Das graue Haar hieng ihm stets borstenartig über die gerunzelte
Stirne und um dm Kopf, auf dem er einen grauen, spitzigen Hut
trug, von welchem seitwärts eine rothe Straußseder über den Rücken