1861 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: Reiser, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch, Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
239
20) Es giebt keine grössere Herrschaft, als die Herrschaft über
sich selbst und seine Leidenschaften. Wer nie von einer Leiden-
schaft hingerissen wird, muss einen grossen Charakter besitzen. Jede
Leidenschaft drängt die Vernunft aus ihrem Gleise und führt uns zur
Reue. Willst du irgend einer Leidenschaft, die sich in dir erhebt,
Herr werden, so musst du so bald als möglich bemerken, dass sie
sich in dir erhebt. Im Zustande der Leidenschaft handle niemals selbst,
sondern lass Andere, welche kaltblütig und redlich sind, für dich
handeln.
Achter Abschnitt.
Belehrungen aus der Erdkunde,
l. Die Erde.
„Wer morgen früh um 4 Uhr ausstehen mag, 'darf mich aus
einem Spaziergange begleiten, aus welchem wir recht viel Schönes
sehen werden." So sprach Vater Richard zu seinen Kindern, die
darüber in lauten Jubel ausbrachen. Sie giengen eilfertig zu Bette,
um des Morgens desto früher munter zu seyn, und Jedes hatte
versprochen, die Andern zu wecken, wenn es etwa zuerst erwachen
sollte. Um 3 Uhr war Franz, der älteste Sohn, schon munter
und weckte seine Geschwister. Alle zogen sich rasch an, und da auch
der Vater schon früher aufgestanden war, als er selbst bestimmt
hatte, so war um halb 4 Uhr die ganze Gesellschaft auf dem Wege.
Die Reise gieng auf einen hohen Berg, nach welchem man eine
gute Stunde zu gehen hatte. Es war ein köstlicher Frühlings-
morgen, und die Kinder genossen schon auf dem Wege das hohe
Vergnügen, die Sonne aufgehen zu sehen. Als sie aber erst auf
der Höhe des Berges angekommen, waren, stieg ihre Ueberraschung
und ihr Erstaunen auf's Höchste, denn rings um den Berg her er-
blickte man nach allen Seiten hin so viele Dörfer und Städte, daß
das Auge sie nicht zählen konnte. Mitten durch das weite, grüne
Thal strömte ein starker Fluß, auf welchem ein Dampfschiff pfeil-
schnell dahin fuhr und mehrere kleinere Boote sich hin und her be-
wegten. An den Usern des Flusses lagen in lieblicher Frische die
freundlichsten Ortschaften, deren Thürme, von der Sonne vergoldet,
ihnen entgegen glänzten. Dichtbewaldete Berge zogen sich durch die