1861 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: Reiser, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch, Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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. Neapel und der Vesuv.
Südlich von Rom, in einer ungemein schönen und reizenden
Gegend, an einem Busen des Mittclmeeres, liegt die prächtige Haupt-
stadt Neapel (380). Die Toledostrahe ist die schönste, denn
sie besteht beinahe aus lauter Palästen; mehrere andere dagegen
sind krumm und enge, und es fehlt anch nicht an unheimlichen, wmk-
lichen Gäßchen, in denen man am hellen Tage vor Taschendieben
nicht sicher ist. Auf den öffentlichen Plätzen ist bei Tag und "Nacht
ein ungeheures Getünimel von herumwogenden Menschen'masten, und
der staunende Fremdling wird von demselben, sowie durch das Rollen
der Karossen und das Geschrei der Berkäufer, welche Lebensmittel
und Waaren aller Art feilbieten, ganz betäubt. Unter den 230 Kir-
chen der Stadt ist der Dom, und unter den 150 Klöstern das der
hl. Clara vorzüglich bemerkenswerth. Die Wohnhäuser find hier
gewöhnlich 6 bis 8, ja sogar 10 Stockwerke hoch und haben ebene
Dächer, die gewöhnlich mit Blumentöpfen und Pomeranzenbäumen
besetzt sind und zu Spaziergängen benützt werden.
Die Umgebung Neapels ist das Reizendste, was die Natur
geschaffen hat. Auf einer Seite liegt der Berg Posilippo, mit
Pomeranzenwäldchen, Weinbergen und den herrlichsten Landhäusern
bedeckt; aus der andern ragt der Vesuv 3700 Fuß hoch empor,
was hier, am Meere, schon eine beträchtliche Höhe ausmacht. Auf
dem Scheitel desselben sicht man in den trichterförmigen Krater
hinab, der eine halbe Stunde im Umfange hat und mit 500 Fuß
hohen Wänden umgeben ist, die sich nach und nach aus Lava und
Schlacken gebildet haben. Wenn die Spitze des Berges nicht in
Rauch und Nebel gehüllt ist, so genießt man hier eine unvergleich-
liche Aussicht auf eine der schönsten Landschaften der Erde. — Von
Neapel führt eine herrliche Straße nach den Städten Herkulanum
und Pompeji, die im Jahr 79 durch einen Ausbruch des Vesuvs
zerstört und erst in neuester Zeit wieder ausgegraben wurden. Kein
Fremder versäumt es, von Neapel aus diese gleichsam ans dem
Grabe wiedererstandenen Städte zu besuchen, und es läßt sich wohl
denken, mit welchen Gefühlen man ihre todten Straßen und Ge-
bäude durchwandert und all' das Seltsame, Großartige und Außer-
gewöhnliche mit Aufmerksamkeit betrachtet und die Spuren der grau--
. senhaftcn Zerstörung wahrnimmt, welche die sorglose Bevölkerung
mitten in ihren Vergnügungen und Schwelgereien überraschte.
Nahe an dem Festlande von Italien liegt die Insel Sicilien,
mit der schönen und großen Hauptstadt Palermo, der Handelsstadt
Messina und dem feuerspeienden Berg Aetna, der fast 10,000 Fuß
hoch aufsteigt und neben seinem grausenvollen Krater die entzückendste
Aussicht auf die ganze Insel und einen großen Theil des Meeres darbietet.