1865 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Volksschule
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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schwächer lind blind und lahm, lind konnte seinen Herrn nicht mehr
tragen. Und was that nun der reiche Herr?
Behielt er dankbar das treue Thier bei sich im Stall und pflegte
seiner, oder nicht? Nein, er behielt cs nicht bei sich, sondern jagte es
fort aus dem Stall auf die Straße und in den Busch. Und das
arme, alte, kranke Thier mußte sein Futter selber suchen und konnte
doch nicht sehen! Da fand cs denn freilich oft gar nichts und mußte
Hunger leideil und alle Nächte unter freiern Himmel zubringen, daß
der kalte Thau auf seiilcn Leib fiel, und seine alten Knochen froren.
Und am Tage schnupperte es humpelnd überall umher und suchte
Futter. So kaur es denn auch einmal in die Kirche der Undankbar-
keit, die immer offen stand, und schnlipperte drin umher und suchte
Futter — und fühlte mit seinem Maul das Seil und sog und zog
daran, und das Glöcklern auf dem Thurm fing an zu läuten. So-
gleich kamen die Ältesten der Stadt von dein Rathhaus nach der
Kirche, und was saherr sie? Das arme, lahme, bliilde Pferd des rei-
chen Mannes war am Läuten. „Ja, ja," sagten sie, „das Pferd
hat Recht, am Glöcklein der Undankbarkeit zu ziehen!" und ließen den
reichen Herrn kommen und sagten: „Siehe, du undankbarer Mann,
da steht dein treues Pferd und verklagt dich! Du hast wirklich sehr
undankbar an ihm gehandelt, darum rathen wir dir: Nimm es zu
dir und gönne ihm die kurze Zeit noch, die es leben mag!" Da
schämte sich der reiche Manil vor Gott und den Menschen, nahm das
gute Thier mit sich in den Stall, und fütterte es, bis es starb.
tt. Der Vlinde.
Ein armer, blinder Mann lebte in großer Noth. Da band er
sein Hündlein an einen Strick, und das Hündlein führte ihn auf siche-
ren Wegen zu den Menschen. Die hatten Mitleiden mit dem ar-
men Manne und gaben ihm Brod. Der Mann theilte das Stücklein
Brod mit seinem Hunde. Als der blinde Mann starb, trauerte das
Hündlein und starb, vor Kummer, auf dem Grabe des Armen. —
7. Die blinde Natte.
Unter allen Thieren, die sich in der Nähe de3 Menschen aufhal-
ten, ist kaum eins so wenig beliebt, als die Natte. Und doch haben
die Ratten ihre guten Eigenschaften. Ein gelehrter Mann, welcher
gewohnt war, Alles, was ersah, recht genau zu beobachten, erzählte
uns folgende Geschichte:
„Ich befand mich nicht recht wohl, und blieb deshalb des Mor-
gens eine Stunde länger im Bette als gewöhnlich, indem ich mich mit
Lesen unterhielt. Auf einmal höre ich etwas in der Ecke meinem
Bette gegenüber rascheln. Ich blicke hin und sehe eine junge Ratte
und dann noch eine aus einem Loche hervorkommen. Erst schritten !
sie ganz vorsichtig weiter und sahen sich mit ihren glänzenden Augen
Haesters' Lesebuch fsr Mitteln, kathol Dolkssch. Z