1865 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Volksschule
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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um, ja ein Käfer, der vorbciläuft, stößt das einzeln stehende zu Boden.
Darum hat der liebe Gott es auch stets in Gesellschaft wachsen lassen.
Tausend und aber tausend solcher Pflänzchen stehen nahe beisammen.
Diese kleinen Zwerglein richten in Gesellschaft gar Manches aus. Wenn
im rauhen Herbst die Bäume ihre gelben Blätter verlieren, dann ist
das Moos am schönsten und wächst am besten. Es fängt die Eicheln
und die Nüsse der Buchen und Haseln auf und umhüllt sie weich und
warm. Die tausend Käfer des Sommers suchen sich Verstecke zum
Schutze vor dem rauhen Herbstwind. Sie kriechen hinein ins weiche,
warme Lager von Moos und schlafen darin den ganzen, langen Winter
hindurch. Hier liegen runde Häufchen Spinneneier, dort ähnliche
von Schmetterlingen. Hier hat sich eine Värenraupe ihr Winter-
lager ausgesucht, dort ruht zusammengerollt eine Blindschleiche.
Jetzt thaut der Schnee. Die Tropfen eilen hurtig nach dem Bache.
„Halt!" ruft das Moos den Flüchtigen zu und hält mit seinen hundert
Ärmchen ihrer viele fest. „Ich habe viele Kinder," sagt es, „die
brauchen Morgcntrank!" Das Moos reicht jedem von ihnen sein
Tröpfchen: der Eichel, der Haselnuß, den Samenkvrnchen von
der Flockenblume und vom Vergißmeinnicht. Sie wachen auf
und trinken und keiincn, und das Moos schützt die zarten Sprossen
vor dem kalten Märzhauch. Sobald es aber wärmer wird, kommen
die Pflänzchen überall hervor, die Käfer kriechen heraus, die Schnecken
schlüpfen ans Tageslicht, und aus den Puppen kommen schöne
Schmetterlinge.
Aus fernen Ländern kehren Nothkehlchen und Nachtigallen
wieder und beginnen ihre Nester zu bauen. Sie tragen Reischen in
den neubelebtcn Busch und stechten sic in einander. Nun fehlt es noch
an einem weichen Bettchen für die Eier und die künftigen jungen
Vöglein. Da stiegen die Alten zum weichen Moos und bitten um
seine Hülfe. Gutwillig giebt es seine Pflänzchen her, damit die Vögel
ihre Nester damit ausfüttern können Bald kommen auch das Häs-
lein und das Reh und suchen ein sicheres und trauliches Versteck, wo sie
die jungen Häschen und Rehe pflegen können. Für sic breitet sich das
Moos als weicher Teppich aus, auf dem sie alle ein weiches Lager haben.
Als schöner, grüner Überzug bekleidet anderes Moos die Abhänge
der Waldberge. Es bildet Ruhekissen und Sopha's und ladet
die Kinder zur angenehmen Ruhe ein, wenn sie vom Erd- und Heidel-
beersuchen ermüdet sind. Da pflücken sie das Moos und winden da-
heim zum Namenstag der Mutter Guirlanden und Kränze, die
jahrelang grün bleiben.
Das kleine Moos lehrt den schwachen Menschen, sich freundlich
an Andere anzuschließen, wenn er sich allein zu schwach fühlt. In
Gemeinschaft mit Andern kann er dann viel Großes ausrichten, was
dem Einzelnen nicht möglich wäre.
Alle Moose zusammen bilden auch eine Klasse von
Pflanzen.