1865 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Volksschule
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Da antwortete der König und sprach: „Nun wohl! aber was soll diese«,
und wo ist solches geschehen?
Da sprach der fromme Bischof: „Siihe I du kannst mich auch entkleiden von
diesem irdischen Gewände. Aber ich habe einen Herrn, der wird mich neu
bekleiden. Sollte ich denn des Kleides achten und die Treue dafür hingeben?“
Da sprach der heidnische König: „Gehe; ich sehen e dir dein Lebeni“
81 Der Knabe am Grabe des Vaters.
Ein armer Knabe stand einst bet einem neuen Grabcshügcl und weinte
bitterlich. Unter diesem Hügel lag sein guter lieber Vater. Vor einigen Tagen
hatte man seine Leiche hierher getragen und in die kalte Erde gesenkt. Der
Knabe war nun ganz verwaist; denn vor mehreren Jahren schon hatte er
seine Mutter verloren, und jetzt war ihm auch der Vater entrissen. „Ach,"
seufzte der Kleine, „jetzt habe ich auch keinen Vater mehrl Die Hand, die
für mich arbeitete, ist kalt und verwes't im Grabe. Nie mehr sehe ich
des guten Vaters freundliches Lächeln, womit er mich erfreute, wenn ich
brav war; der Mund, von dem ich so schöne Lehren horte, ist auf immer
verstummt. Niemand liebt mich mehr so sehr, wie er, der gute, liebe Vater,
mich geliebt hat. Ach, wie hart, wie gar hart ist cs, keinen Vater
mehr zu habeni" So jammerte der Waisenknabe, und Thräne auf
Thräne netzte des Vaters Grab. Da sah er mit seinen rothgewcinten Augen
auf das Grabkreuz hin, und hier stand ein Engel gemalt. Mit der einen Hand
zeigte der Engel gegen Himmel empor, und in der anderen hielt er eine Schrift
mit den Worten: „Vater unser, der du bist in dem Himmel!" Diese
Worte erheiterten das Gemüth des armen Waisen, und nachdem er seine Thränen
getrocknet, faltete er getrost die Hände und betete: „Ach, guter Gott im
Himmel! dich hätte ich bald vergessen; du bist mir doch noch als
Vater geblieben, dich verlor ich nicht. Du nahmst meinen Vater
zu dir und willst nun für ihn mein Vater sein. Du liebst die
Menschenkinder noch weit mehr, als ein irdischer Vater seine
Kinder lieben kann. Du hast uns ja deinen eigenen Sohn zum
Bruder gegeben und durch ihn uns zu deinen Kindern wieder
angenommen. Darum, Vater im Himmel! verlasse mich, dein
armes Kind, nicht; sei und bleibe du von nun an mein Vater!"
So betete der Waisenknabe und ward getröstet, und der himmlische Vater sorgte
für ihn, daß aus ihm zwar kein reicher, aber ein frommer, genügsamer
und dann glücklicher Mensch wurde. Noch in seinem hohen Alter erinnerte
er sich gern, wie ihm einst die Anrede des „Vater unser" auf dem Grabkreuzc
seines Vaters getröstet habe, und er dankte Gott von Herzen dafür.
32. Das Grab.
Die schwarzen Männer tragen ein Särglein aus dem Haus, drin liegt ein
todtes Kindlein, das tragen sie hinaus.
Sie senken's in die Erde zur kühlen, dunklen Ruh', — die Schollen fallen
drüber und decken warm es zu.
Es schläft im engen Bettchen, mit Erde zugedeckt, bis Jesus Christus wieder
aus seinem Schlaf es weckt.
Wie stille muß sich's schlummern dort in des Grabes Schooß wohl unter
rothen Nöslein und unter grünem Moos I
Auch ich werd' einst getragen hinaus zur stillen Ruh; die schwarzen Männer
decken mich dann mit Erde zu.
Doch bald erscheint ein Morgen, ein Morgen hell und klar, da Jesus kommt
als Richter mit seiner Engel Schaar.
Dann ruft er in mein Gräblein: „Steh auf, steh auf, mein Kind!" Und
aus dem tiefen Schlafe erwach' ich dann geschwind.
Dann ist die Nacht verschwunden, ein scl'gcr Morgen lacht, voll Jubel und
voll Wonne, voll Glanz und Himmelspracht.
Zum Himmel darf ich eilen, bei Jesu darf ich sein, und singen süße Lieder
mit Gottes Engelein.