1853 -
Oppenheim a.Rh. [u.a.]
: Kern
- Autor: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Hessen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Und wie entstehet ein Buch? Bis Gutenberg kam, hatte die
Welt nur Schrift. Die auch ist ein Großes, oder wohl ein noch
Größeres zu nennen, als ein gedrucktes Buch zu nennen ist. Die
Schrift macht den unsichtbaren Gedanken sichtbar, daß er, wie ein
Blitz leuchtet und befestigt das fluchtige. Wort zum Stehen wie ein
Denkstein. Wie das Wort bekehre fest zu stehen, das zeigt der Spruch
an: Ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann. Aber ein Drucker
kann mehr drucken, als tausend Schreiber schreiben können! Durch
den Druck bekommt die Schrift Flügel, die schneller als Adlersflügel
sind und bekommt die Schrift Füße,' auf welchen sie nach allen Orten
und Enden geht und eben sowohl in die Hütten der Dürftigen, als in
die Häuser der Reichen. Vor Erfindung der Buchdrnckerkunst galt eine
Bibel 500 Kronen, ein neues Testament 24 rh. Gulden.
Seit 1804 hat die brittische und auswärtige Bibelgesellschaft, die
vornehmste unter allen, über 16 Millionen Bibeln vertheilt.
231. Urtheilskraft.
Ein R e ch t s f a l l.
Zu einem berühmten Rechtsgelehrten und Anwalt geht ein junger
Mann: Was soll ich dir geben, wenn du mich deine'knust lehrest?
Sie werden um eine bestimmte Summe Geldes einig und zwar so,
daß die Hälfte sofort beim beginnenden Unterricht solle bezahlt werden,
die andere Hälfte, wann der Lehrling den ersten Prozeß würde ge-
wonnen haben. Die erste Hälfte wird gezahlt, der Unterricht gehet
glücklich von Statten, der Schüler wird wohlbefähigt entlassen. Allein
er fängt nicht an, Prozesse zu führen. Dem Lehrer wird die Zeit
lang, er erinnert, mahnet, aber vergeblich; da fordert er ihn vor Ge-
richt. Er erscheint. Der Kläger beginnt: Du wirst mir die noch
unbezahlte andere Hälfte des Lehrgeldes bezahlen müssen, jedenfalls,
ich gewinne, oder verliere. Gewinn' ich, so wird ja der Richter dich
auch zwingen zu bezahlen, verlier' ich aber, so hast du gewonnen, hast
deinen ersten Proceß gewonnen und mußt vermöge unsres Contracts
bezahlen. Rein, sagte der Beklagte, du bekommst das Geld auf keinen
Fall, ich mag gewinnen, oder verlieren. Verlier' ich, so habe ich, da
bisher noch gar kein Prozeß von mir geführt worden ist, auch noch
keinen gewonnen, bin daher contraetmäßlg zur Zahlung nicht verpflich-
tet, gewinn' ich aber, so heißt das Rtchts anders, als der Richter
spricht mich von der Verpflichtung zu bezahlen frei. Wie mag das.
Gericht erkannt haben?
232. Der kluge Richter.
Ein reicher Mann im Morgenlande hatte eine beträchtliche Geld-
summe, welche in ein Tuch eingenähet war, aus Unvorsichtigkeit ver-
loren. Er machte daher seinen Verlust bekannt und bot, wie man zu
thun pflegt, dem ehrlichen Finder eine Belohnung an und zwar von
hundert Thalern. Da kam bald ein guter und ebrlicher Mann da-
hergegangen. „Dein Geld habe ich gefunden. Dieß wird's wohl