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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 24

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
24 I. Erzählungen. barfeit und ein stummes Lob des unver- geßlichen Königs. Einige Zeit nach seinem Tode wurde nebst vielen andern Dingen auch die Menagerie verkauft, die er in Nymphen- burg gehalten hatte: viele seltene Thiere mannigfaltiger Art, auch überseeische Loris, Papageien und deutsche Staare. Von den letztem waren schon alle ver- kauft; nur einer war noch übrig, der letzte und von unscheinbarem Aeußern. Still und mit struppigem Gefieder saß er auf der Stange, als ob er sich noch über den Tod seines Herrn betrübte, wie etwa ein alter Diener, wenn nach dem Tode seiner Herrschaft das Haus- geräthe fortgeschafft wird, unter dem er alt und grau geworden war, stumm umhergeht und sich grämt, daß er das Alles überlebt. Als nun der alte un- scheinbare Vogel unter den Hammer kam, bot Niemand darauf, und nachdem ihn der Ausrufer drei- oder viermal angeboten hatte und Alles schwieg, wurde der Käfig mit dem Staare in eine Ecke bei Seite gesetzt und andere Dinge aus- gerufen. Auf einmal schallt es aus der Ecke: „Max Joseph! Vater Max!" — Alle Köpfe wendeten sich nach der Stzite hin, woher der Ruf kam. „Wer ist's? wer ruft?" fragten Viele; und da Einer, der dem Käfig zunächst stand, sagte: „Es ist der Staar, der weggesetzt worden ist," da riefen Alle wie aus einem Munde: „Den Staar, den Staar her!" So kam der unscheinbare Vogel mit einem male zu Ehren, weil es eben Jedem vorkam, als habe die treue Liebe, die er selbst im Herzen hegte, durch den Vogel eine Stimme bekommen. Der Staar selbst aber, da Alles um ihn her so lebendig wurde, und alle Anwesenden ihn lieb- kos'ten und lobten, wurde nun auch ganz munter und rief in einem fort: „Max Joseph! Vater Max!" nicht, wie man zu sagen pflegt, als ob er dafür bezahlt würde, sondern so recht aus vollem Herzen. Da wollte nun Jeder den be- redt gewordenen Vogel haben, und die Gebote jagten und überstiegen sich, so daß wohl nie ein Staar so theuer be- zahlt worden ist. Und der, welcher ihn erhielt, meinte einen Sieg gewonnen zu haben, und trug ihn im Triumphe nach Hause, und die Andern beneideten ihn. Das war denn auch eine Leichenfeier von eigenthümlicher Art, und gewiß keine der schlechtesten. 15. Max Joseph in Lambach. I. „So wollen des Königs Majestät wirklich in höchsteigener Person bei mir übernachten?" fragte der dicke Wirth „zum goldenen Straußen" in Lambach wohl zum zehnten mal einen Courier, der reisefertig auf der Schwelle stand. „Hab ich's nicht wie vielemal schon ge- sagt! Haltet Alles bereit, wie ich's an- befohlen habe," entgegnete der Reiter, bestieg sein Pferd und sprengte davon. Lange sah der Straußenwirth ihm nach, als aber das letzte Staubwölkchen ver- schwunden war, schnalzte er mit den Fingern und warf seine Kappe bis an die Decke der Hausflur. „Zu guter Stunde kommt mir ein Goldfisch in's Netz, er soll gute Bewirthung finden, weiche Betten, aber zahlen muß er auch gut, zahlen soll er" — bei diesen Wor- ten verbarg er, wie der Vogel Strauß seinen Kopf ins Gebüsch versteckt, um nicht gesehen zu werden, sein Gesicht in sein Kapperl, damit ihn Niemand höre; dann traf er Anstalten in Haus, Hof, Küche und Keller, seinen hohen Gast nach Würden zu empfangen. Das Ge- lungenste erschien Herrn Krampelmaier (so hieß der Wirth) der mächtige Blumen- kranz zu sein, den er seinem Strauß über dem Thor um den Hals gehangen hatte, um damit, „wie durch die Blumensprache bildlich anzuzeigen, welche Ehre seinem Hause widerfahren sei," sagte er. Am Abend, da sich seine Stamm- gäste versammelten, erzählte er jedem einzeln, daß Seine Majestät Max Joseph von Bayern auf seiner Reise zum Wiener Congresse bei ihm übernachten werde, wobei er nie unterließ, auf das Wohl seines allergnädigsten Landesherrn ein Glas zu leeren, bis er „zur Vorfeier
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