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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 36

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
36 I. Erzählungen. nun ein anderes Bild von gleicher Größe, strafte dadurch die Professoren der Aka- demie Lügen und zwang sie, ihr früheres Urtheil zurückzunehmen. Mit ausdauern- dem Fleiße ging er nun an die aufge- gebene Preisarbeit. Vollendet stand das Bild da, eines Preises ,würdig; jedoch dem Künstler ohne Hände und mit den ungestalteten Füßen einen solchen zuzu- erkennen, dazu konnten sich die Preis- richter nicht entschließen, und Ducornet fiel durch. — Er verließ daraufhin die Pariser Akademie, um unabhängig, so weit das für den Armen möglich war, für sich zu arbeiten, und war nun einzig auf das beschränkt, was er mit seiner Füße Arbeit verdiente. Es scheint auch, als wenn er von der Zeit seines selbstständigen Arbeitens an Geldunterstützungen von Herrn De- mailly nicht mehr angenommen habe. Zufrieden mit Wenigem, lebte er nun in der tiefsten Zurückgezogenheit auf seiner einsamen Kammer und schuf dort eine Menge von Bildern, deren sich auch Maler mit Händen nicht hätten zu schämen brauchen. — Bei den großen Aus- stellungen in Paris trug er mehrere Preise davon, darunter auch einmal den ersten, und endlich sogar die große Medaille. So schaffte ein Maler durch seiner Füße Arbeit sich durch das Leben, durch ein Menschenleben, in welchem es oft 20. Liebet In einem Walde des westlichen Ruß- land lebte noch vor einigen Jahren ein wackerer Förster mit seinem jungen Weibe, zwei holden Kindern und einigen Jägerburschen in glücklicher Abgeschie- denheit. Auch zu ihnen war indeß schon die Kunde von den traurigen Verhee- rungen gekommen, welche die Cholera in den östlichen Theilen des Landes an- richtete, und wie sie immer nach Westen vordränge. Schon hatte deßhalb der Förster in der nächsten Stadt sich Ver- haltungsregeln geben lassen, auch einige Arzeneien eingekauft, als eines Nach- mittags ein Jägerbursche die Botschaft bringt, daß in dem nächsten, eine Meile entfernten Dorfe die Cholera in ihrer einem Manne mit gesunden Händen und Armen und mit rüstigem Körper blut- sauer wird um's liebe tägliche Brod. Einen solchen Körper muß jedoch die Arbeit, und gerade diese Arbeit, die bei einem wahren Künstler auch den Geist beschäftigt und die Einbildungskraft mäch- tig aufregt, doppelt angestrengt haben. Es war im Jahr 1856, als eines Tages unserm Ducornet plötzlich der Pinsel entfiel und die Kräfte ihn derge- stalt verließen, daß er kaum mehr im Stande war, sein Gerüste zu verlassen. Es war eine Lähmung, die diesem merk- würdigen Menschen- und Künstlerleben am 27. April desselben Jahres ein schnelles Ende machte. Am Sterbebette des Malers ohne Hände standen zwei Greise mit Thränen im Auge, zwei Männer, die sich Gottes Lohn um den Armen verdient, weil sie Christenpflicht an ihm erfüllt hatten. Der eine derselben war der Schu- ster Ducornet, der treue Vater, der den Sohn so lange mit Geduld und Liebe, — im eigentlichsten Sinne des Wortes — getragen hatte. Der andere drückte dem Sterbenden die müden Augen zu in dem Bewußtsein, einen: Unglück- lichen geholfen zu haben; es war der Menschenfreund, wie es deren so wenige gibt in unserer so liebearmen Zeit, Herr Demailly. ure Feinde. ganzen Furchtbarkeit ausgebrochen und bereits eine Menge Bewohner der Krank- heit erlegen sei. Schnell beschließt nun der kleine Familienrath, jede Verbindung mit dem angesteckten Dorfe auf das strengste zu meiden und auf die An- näherung jedes Fremden ein wachsames Auge zu haben. So kommt der Abend. Die Mutter bettet ihre Kleinen zur nächt- lichen Ruhe und rückt sich einen Sessel an die Seite des Gatten, um am kni- sternden Kaminfeuer mit ihm noch manche häusliche Sorge zu besprechen. Da schla- gen die Hunde an, und der eintretende Jäger meldet: „Draußen ist der Müller ans dem benachbarten Dorfe; er fliehe, so spricht er, vor der gräßlichen Seuche
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