1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
32. Der alte Löwe. 33. Die Maus und der Löwe.
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wechseln ab, wollte daher nichts ver-
säumen, um wenigstens zum Nachtisch
da zu sein, wenn der mürbe Kuchen auf-
getragen wird. Er eilte sich, was er
konnte. Kaum aber war er im Hause,
so erwischte ihn Einer, klemmte ihm den
Schwanz zwischen die Stubenthür, gerbte
ihm das Fell windelweich, und klemmte
so lange, bis die Haut vom Schwänze
sich abstreifte, und der Hund verschändet
entsprang.
„Nun, wie hat es Dir auf der Hoch-
zeit gefallen?" fragten die Freunde, jeder
mit etwas Spott im Herzen. Der Uebel-
zugerichtete zog seinen geschundenen
Schwanz ein, so gut es gehen konnte,
und sprach: „Ganz wohl, es ging recht
toll her, und gab viel Mürbes, aber
Haare muß Einer lassen können."
Die drei Hunde dachten noch lange
darall, wie wohl ihnen die Hochzeitsuppe,
der Hochzeitbraten und der Hochzeitkuchen
geschmeckt hatte, denn gerochen hat jeder
genug.
32. Der alte Löwe.
(Fabel.).
Ein alter Löwe lag kraftlos vor sei-
ner Höhle und erwartete den Tod. Die
Thiere, deren Schrecken er bisher ge-
wesen war, bedauerten ihn nicht; sie
freuten sich vielmehr, daß sie seiner los
wurden; und einige von ihnen, die er
sonst verfolgt hatte, wollten nun ihren
Haß an ihm auslasten. Der arglistige
Fuchs kränkte ihn mit beißenden Reden;
der Wolf sagte ihm die ärgsten Schimpf-
worte; der Ochs stieß ihn mit den Hör-
nern ; das wilde Schwein verwundete
ihn mit seinen Hauern; und selbst der
träge Esel gab ihm einen Schlag mit
seinem Hufe. Das edle Pferd allein blieb
schweigend stehen und that ihm nichts,
obgleich der Löwe seine Mutter zerrissen
hatte. Willst du nicht, fragte ihn der
Esel, dem Löwen auch eins hinter die
Ohren geben? Das Pferd antwortete:
Ich halte es für niederträchtig, mich an
einem Feinde zu rächen, der mir nicht
schaden kann.
33. Die Maus und der Löwe.
(Fabel.)
Ein Löwe schlief in seiner Höhle,
und um ihn her spielte eine lustige
Mäuseschaar. Eine derselben kroch eben
auf einen hervorstehenden Felsen, fiel
herab und erweckte den Löwen, der sie
mit seiner gewaltigen Tatze festhielt.
„Ach," bat sie, „sei doch großmüthig
gegen mich armes, unbedeutendes Ge-
schöpf! Ich habe dich nicht beleidigen
wollen; ich habe nur einen Fehltritt ge-
than und bin von dem Felsen herabge-
fallen. Was kann dir mein Tod nützen?
Schenke mir das Leben, und ich will dir
zeitlebens dankbar sein!" „Geh hin,"
sagte der Löwe großmüthig und ließ
das Mäuschen springen. Bei sich aber
lachte er und sprach: „Dankbar sein!
Nun das möchte ich doch sehen, wie ein
Mäuschen sich einem Löwen dankbar be-
zeigen könnte!"
Kurze Zeit darauf lief das nämliche
Mäuschen durch den Wald und suchte
sich Nüsse; da hörte es das klägliche
Gebrüll eines Löwen. „Der ist in Ge-
fahr!" sprach es bei sich und ging der
Stelle zu, wo das Gebrüll herübertönte.
Es fand den großnlüthigen Löwen voll
einem starken Netze umschlungen, das
der Jäger künstlich ausgespannt hatte,
um damit große Waldthiere zu fangen.
Die Stricke hatten sich so künstlich zu-
sammengezogen, daß der Löwe weder
seine Zähne, noch die Stärke seiner Tatzen
gebrauchen konnte, um sie zu zerreißen.
„Warte nur, mein Freund," sagte
das Mäuschen, „da kann ich dir wohl
am besten helfen." Es lief hinzu, zer-
nagte die Stricke, welche seine Vorder-
tatzen gefesselt hatten, und als diese frei
waren, zerriß er das übrige Netz und
ward so durch die Hülfe des Mäuschens
wieder frei.