1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
43. Bayerns Land und Volk.
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seinen saftigen Almen, seinen klaren See'n
und seinen schäumenden Rinnen und
Bergflüssen; — hier breitet sich eine
große, von mächtigen Wasseradern durch-
furchte Hochfläche aus, auf welcher an-
muthige, waldbewachsene Höhenzüge mit
ausgedehnten Ebenen abwechseln, letztere,
wenn auch hie und da Sumpflandschaften,
Haideflächen, magere Triften und ärm-
Uche Kiefernbestände zeigend, meist frucht-
bares Getreideland mit unabsehbaren
Weizenfluren, oder fetter Wiesengrund,
dann und wann unterbrochen durch dunkel-
gefärbte Waldstrecken. Dort wieder steigen
aus der Ebene allgemach die vielfach
verzweigten Höhen des Mittelgebirges
auf, bekleidet hier mit dem dunklern Ge-
wände der Nadelholz-, dort mit den
Hellern der Laubholzwaldungen. — Hier
rankt sich in sorgsam gepflegten Anpflan-
zungen an einem Walde schlanker Stangen
die würzige Hopfenstaude empor, und
dort, wo die Sonne ihre Strahlen glühen-
der zur Erde sendet, schmücken blühende
Obsthaine die Thalgründe und üppige
Rebgelände die Höhen.
Wenn die alten Deutschen meinten,
das Land sei glücklich zu preisen, in dem
folgende fünf W gefunden würden:
Wald, Wiese, Wasser, Wein und
Weizen, dann darf man Bayern ge-
wiß ein gesegnetes Land nennen, denn
an alledem fehlt es bei uns nicht, und
wir können daher gewiß mit Zufrieden-
heit auf unser Heimatland blicken. Sind
auch nicht alle Gegenden Bayerns gleich
freigebig von der Natur bevorzugt, so
stiefmütterlich ist doch auch keine bedacht,
daß sie ihren Bewohnern nicht wenigstens
den nöthigsten Lebensbedarf darböte. Weit-
aus die Mehrzahl der Einwohner Bayerns
erfreut sich eines — anderwärts nicht eben
häufigen — Wohlstandes und Lebensge-
nusses. Die Behäbigkeit des altbayerischen
Bauern ist sprichwörtlich geworden; und
doch ist es eine Frage, ob der Hopfen-
bauer Mittelfrankens oder der Weinberg-
besitzer auf der Hardt sich in einen Tausch
mit ihm einließen. Bei den Berg- und
Waldbewohnern finden wir allerdings
selten ein so ergiebiges Besitzthum; allein
dafür ist ihnen eine andere Gabe zu
Theil geworden, köstlicher wahrlich als
Reichthum an Gut und Geld: ein hei-
terer freier Sinn, Genügsamkeit und Zu-
friedenheit; und das Volk der Berge fühlt
sich daher, trotz äußerer Armuth, meist
glücklicher und wohler, als das Volk
der Ebene. An Quellen ausreichenden
Erwerbs mangelt es aber auch den Ge-
birgsbewohnern nicht. Wo der Wald
deren eigen Gut ist, wirft er kaum ge-
ringeres Erträgniß ab, als Wiese und
Ackerland. Meist freilich sind die Wal-
dungen im Besitze des Staates, der
Stiftungen oder Gemeinden. Dann sucht
der Wäldler seinen und der Seinen Un-
terhalt durch Holzhauen, Kohlenbrennen,
Theer- und Pechgewinnung, Einsammeln
von Beeren, Arzneikräutern u. dgl.
Arm an Vegetation sind nur wenige
Strecken in Bayern; allenthalben lohnen
reiche und manchfache Erzeugnisse die
Pflege und den Anbau des Bodens. Des
großen Getreidereichthums, des Hopfen-,
Wein- und Obstbaues, sowie der Er-
trägnisse der Waldungen ist schon ge-
dacht worden. Außerdem erzielt Bayern
in einzelnen Gegenden, je nach Klima
und Bodenbeschaffenheit: Tabak, beson-
ders in der Pfalz, Oelpflanzen, Flachs
und Hanf, Gemüse, Meerrettig, Süß-
holz, Färbepflanzen. Wohl hat auch der
Maulbeerbaum nennenswerthe Verbrei-
tung gewonnen, aber ohne daß dadurch
die Seidenzucht wesentlich gefördert wor-
den wäre. In den sonnigen Lagen der
Hardt reifen selbst süße Kastanien und
Mandeln.
Dieser Manchfaltigkeit des Pflan-
zenwuchses stellt sich der Reichthum der
Thierwelt würdig zur Seite. Die reißen-
den Thiere, Wolf, Bär und Luchs, im
vorigen Jahrhundert noch sehr häufig
im bayerischen Wald und in den Alpen,
sind nun als Standthiere ausgerottet:
doch wechseln sie noch dann und wann
aus Tirol und Böhmen über die baye-
rischen Grenzen. In den Alpen hatte
sich am längsten gehalten der Luchs,
nämlich bis in die dreißiger Jahre unseres
Jahrhunderts; im bayerischen Walde der
Bär, von dessen Geschlecht noch in unserm
Jahrhundert in diesem Walde an sechzig
erlegt oder lebend gefangen wurden. Der
letzte Bär in den Alpen wurde 1835,
im bayerischen Walde 1853 erlegt; der
letzte Wolf dort 1837, hier 1850. Noch