1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
49. Deutsches Land, deutsches Volk und deutsche Sprache.
103
aber in der Mitte, in Thüringen, und
im Westen, am Main und Rhein, über
seine natürlichen Grenzen hinaus in
süddeutsches Gebiet eingegriffen hat. Das
von diesen Grenzen nördlich zum Meer
hin sich ausbreitende Flachland umfaßt
einen Flächenraum von 4500^ Meilen,
dacht sich von Südost gegen Nordwest
ab und wird durch eine zwischen Weser
und Elbe hinstreichende Bodenerhebung
in eine westliche und östliche Hälfte ge-
theilt. Die westliche Hälfte bildet eine
weite Ebene, die reich an Sümpfen,
Mooren und Heiden und im Ganzen
nur wenig über den Meeresspiegel er-
haben, ja an manchen Stellen noch tiefer
gelegen ist, als die Flußbette. Darum
müssen nicht nur die niedrigen Küsten
gegen die Einbrüche des Meeres, sondern
auch die Uferstrecken der meisten größeren
Gewässer gegen die Ueberfluthungen
dieser durch Erdwälle geschützt werden.
Des Flachlandes östliche Hälfte ist schon
mehr über die See erhaben und nur
an wenigen Stellen ganz eben, an den
meisten wellenförmig.
Oberdeutschland zeigt den reich-
sten Wechsel der Bodengestaltung. Von
den steilsten, theils nackten, theils ewig be-
schneiten Felsengipfeln bis zum sanftesten,
abgerundeten, schönbewaldeten Gehügel
finden sich hier alle an der Erhebung der
Erde nur denkbaren Formen. Oberdeutsch-
land theilt sich wieder in zwei große
Hauptgebiete nach der Verschiedenheit
der Bodenform; in das nördliche Mittel-
gebirgsland und in das südliche
Alpenhochland. Das Mittelge-
birgsland, 5000sih Meilen einnehmend,
ist das Land der reichsten Erzeugnisse,
vor allem des Ackerbaues. Wald- und
erzreiche Gebirge wechseln mit wohn-
lichen Gauen, besät mit Dörfern wohl-
habender Landleute und mit gewerblichen
Städten, die mittelst großer Bahnnetze
unter sich in leichtem Verkehr stehen.
Dem Alpengebirgslande gehören
die Gebiete südlich einer Bogenlinie
vom Bodensee bis gegen Wien an.
Es begreift mit einer Fläche von etwa
2000q Meilen einen kleinen Theil von
Bayern und den größten von Deutsch-
Oesterreich. Gegen Osten senken sich die
Alpen mehr und mehr, so daß für
Oesterreich der Weg zum südlichen Meere
offen blieb; auch sind die Ostalpen viel
reicher an Mineralschätzen, besonders an
Salz, Eisen, Blei und Quecksilber, als
die Centralalpen. Der klimatische
Gegensatz zwischen dem Süden und
Norden Deutschlands wird durch die
Abdachung von Süden nach Norden
nahezu aufgehoben. Hätte das Hoch-
land seinen Platz im Norden und das
Tiefland im Süden, so wäre dieser
Gegensatz ein sehr schroffer. Der Norden
Deutschlands wäre dann ein deutsches
Norwegen, ein unwirthliches Hochland,
der Süden dagegen ein Niederungarn
oder Südrußland, d. h. eine sommer-
dürre Steppe, ein Weideland für No-
maden, geworden. So gleicht sich die
Kälte des Hochlands durch seine südliche
Lage mit der größeren Wärme des Tief-
landes so ziemlich aus und es konnte
gleichermaßen im Norden wie im Süden
Landwirthschaft mit Viehzucht die Grund-
lage des Völkerlebens werden.
Nach seiner Lage ist Deutschland
das Herz Europas, „Niemanden
gefährlich, Allen wohlthätig." Es ver-
bindet die vielfach gespaltenen Glieder
Europas zur wahren Einheit; sein
Grundcharakter ist der der Vermitt-
lung der Gegensätze. Wie es in seiner
Bodengestaltung den Uebergang bildet
vom gebirgigen Südwesten zum flachen
Nordosten, so in seinen klimatischen Ver-
hältniffen zwischen dem heißen Süden,
in welchem die Laubbäume ihres Blätter-
schmuckes nicht mehr beraubt werden, und
dem rauhen Norden, in dem nur noch
Birken und Föhren ihr kümmerliches
Dasein fristen. Aus diesem Herzen
Europas ist germanische Bevölkerung
und germanische Bildung nach allen
Seiten hin ausgeströmt: nach Osten in
die Provinzen am baltischen Meere
und in die unteren Donauländer, nach
Norden in die skandinavischen Gebiete
und nach Westen in das britische Reich
und in die Niederlande. Und wenn
auch im Süden die deutsche Herrschaft
wieder verloren gegangen ist und im
Westen ein romanisches Volk in deut-
sches Gebiet erobernd eingegriffen hat:
der deutsche Geist hat doch im Süden
und Westen auf die Völker romanischen