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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 133

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
62. Das Unglück im Hauenstein - Tunel. 133 600 Fuß, war aber nur auf etwa 200 Fuß ausgemauert, auf der übrigen Strecke bloß mit Brettern und Balken geschützt. Unter demselben war eine Schmiede an- gebracht, und der Schacht diente wicht nur für diese zum Abzugskanal des Rauches, sondern auch für das in letzter Zeit im Tunnel lebhaft unterhaltene, die Verbesserung der unerträglich gewordenen Luft bezweckende Feuer. Ueber der Schmiede hatte man, um das Herabfallen von Erde, Steinen n. dgl. zu verhindern, eine Vergitterung von Holz angebracht. Dieses Gitterwerk, sowie die Holzverkleidung des Schachtes wurden allmählich so ausge- dörrt, daß sie leicht in Erhitzung und Brand gerathen konnten. Wirklich brach ein solcher am 28. Mai gegen 1 Uhr Nachmittags aus. Rasend griff das Feuer um sich, und die Lohe schlug zu dem Schachte hinaus. Dieser glich einem brennenden Vulkane; glühende Balken wurden in die Luft emporgeschleudert und im Dorfe Hauen- stein fürchtete man Feuersgefahr. Alsbald wurde ein Knabe abgeschickt, um die im hintern Theile des Tunnels beschäftigten Arbeiter zu schneller Rettung aufzufordern. Der Angabe, daß diesel- den der Mahnung des Knaben, weil dieser sich schon öfter ähnliche Scherze erlaubt habe, kein Gehör geschenkt und die kurze Zeit zur Rettung versäumt hätten, wurde von anderer Seite widersprochen. Wie dem auch sei, — bei der Raschheit, mit welcher der Brand sich verbreitet hatte, stürzten nicht nur die Balken, sondern auch Steine und Erdmassen vom Schacht herab und sperrten in kurzer Zeit den hintern Theil des Tunnels gänzlich ab. Sofort schritt man an die Aufräu- mung des Schuttes, und die Arbeit ging Anfangs ziemlich von statten. Allein durch das von oben zur Löschung des Brandes herab gegossene Wasser ent- wickelte sich eine solche Menge von Rauch und Dampf, daß die Arbeiter betäubt niederfielen und für todt weggetragen werden mußten. Aber gerade jetzt zeigte sich, daß Seelengröße und Menschenadel auch unter zerlumptem Kittel im Herzen des armen Arbeiters thronen. Wie groß auch die Todesgefahr war: die braven Arbeiter wollten ihre verschütteten Ka- meraden nicht im Stiche lassen. Wären Gold und Edelsteine im Tunnel zu gra- den gewesen, es würde sich mancher bedacht haben, sein Leben auf's Spiel zu setzen. Hier war nichts zu verdienen, als der dankbare Händedruck eines ge- retteten Kameraden, und doch stürzten sich die muthigen, von Menschenliebe beseel- ten Männer in die giftige Höhle hinein auf Leben und Sterben. Elf wackere Männer fanden so ihren Tod, ohne daß es gelungen wäre, über das Schicksal der Verschütteten auch nur die geringste Kunde zu erlangen. Um weitere nutzlose Opfer zu verhüten, wurde das Eindringen in den Tunnel verboten. Aber so groß war die Ungeduld der Arbeiter, daß sie gewaltsam in den Ort des Schreckens zu gelangen suchten und von den am Eingänge aufgestellten Wachen mit Ba- jonetten zurück getrieben werden mußten. Alle technischen Kräfte wurden aufge- boten, alle möglichen Versuche veran- staltet, um die Luft im Tunnel zu rei- nigen. Alles vergebens! Sechs lange, bange Tage verstrichen, bis es gelang, dem Tunnel mittels Einschiebens einer über 3000 Fuß langen hölzernen Röh- renleitung soviel frische Luft zuzuführen, daß das Vordringen bis zum Schutte gewagt werden konnte. Mit welcher ängst- lichen Spannung, mit welcher fieberhaf- ten Ungeduld hatten indeffen insbesondere die Angehörigen der Verschütteten ge- harrt! In ihren Herzen kämpften Furcht und Hoffnung. Wie es ja im Wesen des Menschen liegt, in der Noth an je- dem Strohhalme der Hoffnung sich an- zuklammern, so haschte man auch hier nach Gründen des Trostes. Der Schutt, so sagten einige, wird den hintern Theil des Tunnels ganz abgesperrt und das Eindringen der tödtlichen Gase verhindert haben. Die Verschütteten haben acht Pferde bei sich und können einige schlachten, um ihr Leben zu erhalten, sprachen wieder andere. Die Frau eines mitverschütteten Engländers namentlich ließ die Hoffnung auf Rettung der Verunglückten nicht sinken. Mein Mann, so tröstete sie sich und andere, ist schon mehrmals ver- schüttet und einmal erst am elften Tage befreit worden. Mit bloßem Wasser hat er sich erhalten. Er hat Erfahrungen und kann den andern mit Rath beistehen.
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