1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
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Ii. Bilder aus der Länder- und Völkerkunde.
Dampf aufwallt. Einige kleinere Oeff-
nungen sind daneben. Am Fuße dieses
kleinen Kraters bemerkt man an ver-
schiedenen Stellen, deren Zahl sich ver-
mehrt, sobald es dunkel wird, das Feuer
der Erde. Wie düsterrothe Kohlengluth
sieht man hier das Gestein des Berges
brennen: zwischen dem Feuer hin ziehen
sich Lagen der schwarzen, mit gelbem
Schwefel überzogenen Erde. Die innere
Wand des Kraters ist steil und gewährt
dem Auge eine gar wilde, schauerlich
öde Ansicht.
Wendet man sich um, so liegt der
ganze Meerbusen in aller seiner Pracht
vor uns aufgerollt. Links die Felsen-
küste von Castella mare bis zur Punta
della Campanella; vor uns tief unten
die prächtigen Villenstädte am Fuße des
Berges an der Küste, rechts Neapel und
seine Gärten und Landhäuser und im
Hafen der Stadt die Kriegsschiffe wie
zusammen geworfene schwarze Punkte.
Viele Städte und Inseln liegen um uns
und vor uns im röthlichen Brande des
Abendscheines, mit Violett und tiefem
Blau durchdunkelt, und das unbewegte
Meer ist wie ein gewaltiger Silberstrom
durch ihre blühenden Küsten ausgegossen.
Unter unsern Füßen brüllt der Don-
ner der Erde, dumpf wie der Kanonen-
gruß ferner Meerschiffe; bald tiefer,
dumpfer, grauenvoller, wüthender, ein
Getöse hohl zusammenschlagender Felsen-
berge. Ein Athemzug der Stille, und
der dichte graue Dampf, der über der
Oeffnung des Vulkans auf dem Gipfel
des kleinen Kegels schwebt, röthet sich,
röthet sich heißer, glühender, brennender.
Ein breiter Flammenstrahl fährt sausend,
zischend, rollend empor; ein Strauß
gluthsprühender Steine und Asche steigt
65. Marseille
Der Weg von Avignon nach Mar-
seille, welchen man jetzt in 4—5 Stunden
zurücklegt, während man früher eine volle
Tagereise brauchte, zeigt uns die Provence
von ihrer wenigst erfreulichen Seite.
Nasch durchschneidet man die quer sich
durchschiebenden nackten Felsenrippen, die
letzten Ausklänge der Alpen. Dumpf
funkelnd über das Feuer hinaus in die
Nacht und fällt rings auf den kleinen
Kegel nieder, wo die Feuerbälle ver-
dampfen und langsam erkalten. In Zwi-
schenräunien von etwa 10 Minuten wie-
derholt sich immer dasselbe Schauspiel.
Die Sterne sind aufgegangen; sie
blitzen ihr stilles Silberfeuer durch das
schwarze Blau. Nicht Sterne, Sternen-
meere brechen quellend aus dem weiten
hohen Himmel, daß er ganz in mildem
Feuer steht, und tief drunten schmiegt
sich das Meer, wie ein zauberisch leuch-
tender Milchsee, an die finsteren starren
Felsen der Erde und an die weichen
sanften Küsten der Vorgebirge und der
Inseln. Wie eine mit Goldsternen ge-
stickte Weltfahne hängt die Milchstraße
über den Golf hin und über Capri, das
wie ein düsterer, drohender Schatten am
Horizonte liegt, in's Meer hinunter,
dessen duftender Spiegel die eingesogenen
Strahlen wallend wieder ausgießt. Eine
zweite Milchstraße zahlloser, funkelnder
Sterne zieht das lichte lange Neapel um
den Wundergolf, und die dunkle See
leuchtet die Schimmer der Erde wieder.
Heilig und hehr ist die Nacht, wann sie
Schlaf und Todtenstille über unermeß-
liche Länder streut, aber dreimal hehr
und heilig ist sie hier: Schweigen um-
her, über uns hoch ausgespannt der
Sternenhimmel, hell und friedlich, unter
uns tief ein anderer Sternenhimmel
im feuchten Meere und Hunderttausende
schlafend darum gelagert; den Donner
der zitternden Erde unter unseren Füßen
und den heißen tobenden Kampf des
nagenden Elements in den hochgehenden
Flammen des Abgrundes und ringsum
die schrecklichen Spuren seiner Zerstö-
rungswuth und namenlose Verödung.
rd die Bastiden.
braust die Lokomotive in den Einge-
weiden des Berges fort; fast scheint es,
daß sie den Ausweg aus diesem dunklen
unterirdischen Gewölbe nicht mehr finden
werde. Endlich tagt es, und wir treten
auf einmal in einen reich bebauten Gar-
ten Gottes. Landhaus reiht sich an
Landhaus, dicht gedrängt stehen die süd-