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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 141

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
65. Marseille und die Bastiden. 141 lichen Fruchtbäuiste, ein Kranz gewalti- ger Berge umschließt das reiche Bild. Vor uns liegt das Meer mit seinen Schiffen, die alle einem Ziele zustreben oder von ihm ausgehen; und die Stadt breitet sich aus, um die Seiten eines dichten, schmalen Mastenwaldes gelagert, nach drei Seiten aufsteigend und in die unzähligen Landhäuser allmählich sich auflösend. Der Eintritt in Marseille selbst ist wahrhaft imposant und über- raschend. Sie, die erste Handelsstadt Frankreichs, am Mittelmeer in der Bedeutung für den südlichen und öst- lichen Verkehr nur von Triest siegreich bekämpft, macht den Eindruck eines thä- tigen und in dieser Thätigkeit ganz auf- gegangenen Lebens. Welcher Menschen- verkehr in den Straßen und auf den mit ansehnlichen Häusern umgebenen Quai's! Und welches Leben erst im Hafen, dem schönsten der Welt! 900 Schiffe können darin vor Sturm ge- sichert liegen; hohe schützende Felsen umgeben ihn und die Rhede, auf wel- cher mehrere Inseln den Eingang in das weite Meer zu bewachen scheinen. Es herrscht ein fröhlich-lebendiges Gewühl zu Wasser und zu Land. Bunte Flag- gen und Wimpeln der verschiedensten Nationen flattern hier lustig gegen den dunkelblauen Aether hinauf; kleine son- derbar gestaltete Schiffe von der Küste des mittelländischen Meeres, beladen mit Orangen, Kastanien, sogar mit Blumen, ankern neben den gewaltigen großen Kaufffahrteischiffen des fremden Nordens und den ganz fremdartig aussehenden Fahrzeugen der levantischen Küste. Viele hundert Boote, Schaluppen und Fischer- nachen kreuzen lustig dazwischen herum, auch recht zierliche Gondeln, deren immer eine große Anzahl zur Lustfahrt auf den smaragdgrünen Wogen am Ufer bereit liegt. Alle europäischen Nationen sind hier neben den Bewohnern von Asien und Afrika versammelt; alle Sprachen ertönen, und die manchfaltigsten Trachten der verschiedenen Völker sieht man viel- leicht nirgends so auf einem Punkte vereinigt, wie hier an dem Hafen von Marseille. Türken, Armenier, Griechen, Afrikaner mit gelben Gesichten, Neger und Negerinnen und namentlich Araber im weißen Burnus wandeln hier am europäi- schen Strande, und letztere fühlen sich, leicht das Französische erlernend, nicht unbehag- lich an dieser Stätte, wo ihre Vorahnen einst als Eroberer geherrscht und in Sitten und Namen, in Sagen, ja auch in Schrift- zügen zahlreiche Spuren hinterlassen haben. Hier am Hafen ist die jetzige Größe der Stadt, da tritt uns unmittelbar das völker- verbindende, mit der Waare auch geistiges Leben austauschende Wesen des Handels vor die Augen. Befahren wir aber das Meer selbst, so sehen wir hier das Herrlichste, was Marseille dem Reisenden zu bieten ver- mag. Die Aussicht von der oft spiegel- glatten Wasserfläche der Rhede auf die Inseln, die an ihrem Eingänge liegen, und über diese hinaus auf das ewig bewegte Meer ist eine der erhabensten. Nicht minder erhaben und herrlich ist es, wenn man seinen Blick dem Lande zuwendet. Da liegt der lebensreiche, große Hafen vor uns, die ihn umgebenden malerischen Felsen und auf den Spitzen die zwei Citadellen; da liegt die schöne Stadt, welche um den Hafen einen groß- ßen Halbkreis bildet, umschirmt von den weiter hinaus sich erhebenden zackigen Felsen, die Höhen mit ihren Bastiden und überall der reichste Ueberfluß der Gaben des günstigen Himmels. Mar- seille gewährt von diesem Standpunkte aus einen Anblick, den wohl nicht leicht eine Seestadt schöner aufzuweisen hat. Herrlich sind auch die Spaziergänge um Marseille selbst; rings um die Stadt läuft der an die Stelle der abgetragenen Wälle angelegte Boulevard und gewährt manche erfreuliche Aussicht auf die nächsts Umgebung. Interessant, aber beschwer- lich ist der Weg nach Notredame de la garde, einem steilen Felsen, der sich nahe an der Stadt 500 Fuß hoch er- hebt. Eine Citadelle und eine kleine, der hl. Jungfrau geweihte Kapelle krönen die Spitzen desselben; da waltet die Pa- tronin der Schiffer, zu der der Seemann gläubig Gebet und Gelübde sendet. Die herrliche Aussicht lohnt reichlich für den steilen, unbequemen Weg, der hinauf führt. Die ganze Stadt liegt da zu unsern Füßen. Am herrlichsten jedoch ist der Blick von der Terasse vor der Citadelle.
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