1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
83. Sklaverei, Sklavenjagd und Sklavenhandel in Afrika.
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vor Müdigkeit. Er sieht nicht jene sich
im Dunkel der Nacht leise, wie schlei-
chende Katzen herannahenden, dem Auge
kaum wahrnehmbaren schwarzen Män-
ner, und doch kriechen sie schon dicht
vor ihm auf dem Bauche, unhörbar,
an den Wall heran. Endlich bemerkt
er sie. „Hilf uns, o Herr! die Neger!"
Weiter sagt er nichts: eine Lanze
hat ihm die Brust durchbohrt. Vor der
Serieba erheben sich Tausende schwarzer
Männer, ein heulender, langgedehnter
Schlachtruf erschallt, das Grunzen des
Panthers, das Geheul der Hyäne, der
Todesruf des Uhu's erklingen aus dem
Munde der Neger, mit dem Schlacht-
gebrüll durchzischt die kräftig geschleu-
derte, tödende Lanze die Luft. Wo sie
auch hinfällt im Lager, sie fällt in die
dichtesten Rotten der bedrängten Sol-
daten; das Blitzen einzelner Gewehre
zeigt diesen, daß sich unter den Angrei-
fern auch der Feuerwaffen kundige
Männer befinden. Jetzt entladen Hun-
derte von Soldaten ihre Flinten, eine
oder zwei leichte Kanonen donnern gegen
den Feind — die Kugeln schaden wenig
oder nicht. Längst schon sind die An-
greifer wieder geborgen. Dicke Bäume,
Erdwände, Erhöhungen des Bodens und
die Nacht schützen sie. Die Kugeln der
Soldaten pfeifen durch die Aeste der
Mimosen, ohne mehr zu bewirken, als
den Feind von einem neuen Angriffe
abzuschrecken.
Der heranbrechende Morgen endet
den Kampf. Sein Licht beleuchtet das
kleine Schlachtfeld. Viele der Soldaten
haben keine Bewegung gemacht; der Tod
hat sie im Schlafe ereilt. Mit den Lan-
zen sind sie fest an die Erde geheftet,
die Stiele derselben starren in die Luft
hinaus. Andere sind unter den fürch-
terlichsten Krämpfen verschieden: ein
vergifteter Pfeil hat sie getroffen; An-
dere liegen im Todeskampfe. Von den
Schwarzen sieht man auf der Wahlstatt
keinen Todten; die Lebenden nahmen
die Leichname ihrer Brüder mit sich
hinweg, um sie nach ihrer Weise zu
beerdigen oder den Wellen des geheilig-
ten Stromes zu übergeben. Unter sol-
chen Umständen thut der Führer der
Rhassua wohl daran, den Rückzug an-
zutreten. Seine Negersoldaten werden
durch Mißgeschick im Kriege leicht zu
Empörungen geneigt und gehen, ob-
gleich man die Vorsicht gebraucht, sie
nur gegen Feinde zu führen, mit denen
sie auf Tod und Leben zu kämpfen von
Kindheit an gewöhnt sind, gern zu ihren
Stammesverwandten über.
Mit dem Sinken der Sonne ver-
dunkeln unzählbare Schwärme blutsau-
gender Musquitos die Luft und stören
die Ruhe des ohnehin genugsam ent-
kräfteten Fremdlings. Milliarden dieser
Quälgeister der Nacht peinigen den Be-
sucher des weißen und oberen blauen
Flusses oder des Urwaldes.
Sie bohren ihren langen feinen Rüs-
sel durch das dichteste Gewebe bis in
die Haut ihres Opfers, färben ihren
durchsichtigen Körper hochroth mit dem
Blute desselben und verursachen durch
ihren Stich schmerzhafte, unausstehlich
juckende Beulen. Den Tag über in steter
Bewegung und Aufregung, die Nacht
hindurch der nöthigen Ruhe entbehrend,
jeder Erquickung nothgedrungen entsa-
gend, ist der weiße Mann nicht fähig,
dem in dem höllischen Lande sich seiner
unfehlbar bemächtigenden Fieber zu wi-
derstehen. Das Wasser, welches er ge-
nießen muß, ist aus den Sümpfen des
Waldes oder aus dem langsam dahin
schleichenden Flusse geschöpft. Die gif-
tigen Miasmen der Sümpfe, die Aus-
dünstungen der Wälder werden ihm
gleich gefährlich. Das verderbliche Fieber
ergreift ihn. Der Sonne Central-Afrika's
preisgegeben, liegt er krank auf bloßer
Erde. Glühende Strahlen sendet das
leuchtende Gestirn des Tages herab, der
Kranke friert wie bei eisiger Kälte; seine
Zähne schlagen klappernd zusammen, die
Glieder zittern vor grimmigem Frost.
Und nun kommt die Hitze des Fiebers über
den Obdachlosen. Dieselbe Sonne, die
ihn nicht zu erwärmen vermochte, wird
ihm zur unerträglichen Qual. Bald endet
Bewußtlosigkeit und Delirium sein Leiden.
In den übrigen Soldaten erwacht
der Muth der Verzweiflung. Sie ver-
langen stürmisch, gegen den Feind ge-
führt zu werden.
Mit Bajonet und Patagan in der
Faust stürmt man den Berg hinan, den
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