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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 189

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
87. Der Mississippi. 189 überfallen wurden; noch furchtbarer war das der Menge von Unglücklichen, die verwundet, an ihren Gliedern zerschmet- tert, die Ihrigen überleben mußten und dann aus Mangel an Pflege und Nah- rung dennoch umkamen. Eine finstere, dicke Staubwolke, die sich anfangs über die Stadt erhoben und die Luft gleich einem dicken Nebel erfüllt und verdunkelt hatte, schlug sich gegen Abend zur Erde nieder; die Luft wurde rein, die Erde ruhig und die Nacht still und schön. Der fast volle Mond beleuchtete die Schreckensscene, die mit Trümmern und Leichen bedeckte Erde und den namenlosen Jammer der Unglücklichen. Mütter trugen die Leichen ihrer Kinder im Arme, in der Hoff- nung, sie wieder in's Leben zu brin- gen; jammernde Familien durchwühlten die Schutthaufen, die am Morgen noch eine reich blühende, belebte Stadt waren, nur einen Bruder, einen Freund zu suchen, dessen Schicksal unbekannt war. Die unter dem Schutte begrabenen Ver- wundeten riefen die Vorübergehenden laut flehend um Hülfe an; über 2000 wurden hervorgezogen. Nie hat wohl das Mitleid sich rühren- der, erfinderischer gezeigt, als in den An- strengungen, diesen Unglücklichen, deren Seufzer man hörte, Hülfe zu verschaffen. Man mußte sie mit den Händen her- ausgraben, denn es mangelte an allen Werkzeugen zur Hinwegräumung des Schuttes. Betten, Leinwand zum Ver- 87. Der Die Einfahrt in den „Vater der Ströme" vom Ohio aus bietet durch- aus nicht das Majestätische dar, wie man es erwartet; man blickt auf eine breite Wasserfläche, umsäumt von nied- rig scheinendem Walde; aber ungemein überraschend ist der plötzliche Uebergang aus den sanften und klaren Fluthen des Ohio in die trübe, mit grimmiger Hast dahinschießende Strömung des Mississippi. Lange kämpfen die hellen Wasser des Ohio mit den schmutzig gel- den Fluthen des Mississippi, bis diese jene endlich verschlingen und mit sich bände der Wunden, Arzneien, Nahrungs- mittel, alle Gegenstände der ersten Be- dürfnisse waren verschiittet, das Wasser im Innern der Stadt war jogar selten geworden, da die Erdstöße theils die Brunnenleitungen zerschlagen, theils die Quellen verstopft hatten. Es war un- möglich, so viele tausend Todte zu be- graben; deßhalb wurde verordnet, für die Verbrennung zu sorgen. Mitten im Schutte der Häuser wurden Scheiter- haufen für die Unglücklichen errichtet, und dieses Geschäft dauerte mehrere Tage. Unter diesem allgenreinen Jammer vollzog das Volk die religiösen Gebräuche, mit welchen man den Zorn des Him- mels zu besänftigen hoffte. Einige stell- ten feierliche Prozessionen an, bei wel- chen sie Leichengesänge ertönen ließen; Andere, von Geistesverwirrung befallen, beichteten laut auf der Straße. Rück- erstattungen wurden von Leuten ver- heißen, die man keines Diebstahls schuldig wußte; Familien, die lange in Feind- schaft gelebt, versöhnten sich in dem Gefühle gemeinsamen Unglücks. — Ach! so ist das Gemüth der schwachen Men- schen beschaffen! — Jahre lang wan- deln wir unter den Freuden des Lebens umher und enrpfangen tausend Wohl- thaten aus der Hand des Vaters im Himmel: sie rühren unser Herz nicht und führen uns weder zur Gottesfurcht, noch zur Besserung. Nur der Schrecken der Natur und des Unglücks können uns erschüttern. fortreißen. Nicht, daß auch die For- mation der Ufer eine auffallende Ver- schiedenheit zeigte, oder daß der Haupt- strom bedeutend breiter wäre als sein mächtiger Nebenfluß; aber der Charakter des ersteren ist ein vollkommen anderer. Es ist nicht mehr das milde, friedliche Dahingleiten eines bernsteinhellen Was- sers, in dem sich anmuthige Hügelketten und schön gerundete Inseln spiegeln, sondern es ist das wüste Thalabwärts- Wüthen eines sinstern, stolzen Wüsten- dämons zwischen Sandbänken, die er in seiner Zerstörungslust heute zur Rech-
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