1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
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Iii. Geschichtsbilder.
machie, verließ man die bessere Sitte.
Erst in reifen Lebensjahren ward die
Ehe geschlossen, sie galt für heilig, und
selten wurde sie verletzt. Es gab Völ-
kerschaften, bei denen eine Wiederver-
heirathung der Wittwe nicht erlaubt
war, eine Ehe sollte das ganze Leben
füllen, die Frau mit dem Manne für
Glück, Unglück und Tod verbunden sein.
Doch hatte die Ehe noch die ursprüng-
liche Form des Kaufes. Mit Waffen
erkaufte der Mann das Weib von den
Angehörigen, und aus dem Schutz des
Vaters trat es in den seinen hinüber.
Ein gezäumtes Roß, Schild, Lanze und
Schwert, dazu ein Joch Ochsen waren
seine Morgengabe. Heilig wurden die
Waffen bewahrt, denn aus der Hand
der Mutter empfing sie dereinst der
Sohn, um damit sein Weib zu gewin-
nen, und so gingen sie als Erbgut von
Geschlecht zu Geschlecht hinab.
Ueber die Kinder hatte der Vater
volle Gewalt. Das neugeborene Kind
konnte er aussetzen, den heranwachsen-
den Sohn tödten, aber nicht verkaufen;
doch war die Sitte milder als das
Recht. Wie Zur Probe der Lebens-
fähigkeit ward das Kind in kaltes Wasser
getaucht und nach Verlauf der ersten
acht Tage legte ihm der Vater den
Namen bei. Die Kinder des Herrn
und des Knechtes theilten Spiel und
Kost; — in unbefangenem Verkehr mit
den Hausthieren, in Sand und Schmutz,
in Feld und Wald, in Sonne und Regen
wuchsen sie mit einander auf. Man
vertraute, die angeborene Kraft des
Freien werde ihn zur rechten Zeit vom
Knechte unterscheiden. So wurden die
Germanen zu mächtigen Gestalten; sechs
und ein halber Fuß Größe waren nichts
seltenes. Der Germane war schlank,
hoch, von breiter Brust und breiten
Schultern, von weißer Hautfarbe, blauen
Augen, röthlich blonden Haares, das
lebendige Abbild körperlicher Gesundheit
und natürlicher Kraftfülle.
Wohnung und Nahrung waren so
einfach wie Kleidung; das Haus ge-
räumig, für Viele berechnet, aus roh
behauenen Stämmen erbaut und mit
Stroh bedeckt. Nur Schutz gegen Wind
und Wetter suchte man darin. Zum
dürftigen Schmuck bestrichen manche die
Wände mit hellen Erdarten, um ihnen
eine bunte und glänzende Farbe zu
geben. Daneben diente der unterirdische
Keller, dessen Oeffnung man mit Mist
bedeckte, als Vorrathskammer und Zu-
fluchtsort gegen Winterkälte und ein-
dringende Feinde. Der Mittelpunkt des
Hauses war der Herd. Jedes Mitglied
der Familie hatte seinen bestimmten
Sitz; da saß der Mann an demselben
Tisch und Platze, wo vor ihm der Ahn
gesessen, gegessen und getrunken hatte, oder
er verträumte müssige Stunden, wenn
Kampf und Jagd ihn nicht hinausriefen.
Man lebte von dem, was die Natur
ungesucht oder bei geringer Mühe her-
gab. Roggenbrod, Haferbrei, Hirse, Boh-
nen, Buchweizen, Fleisch des frisch er-
legten Wildes oder des zahmen Haus-
viehes, das gekocht, eingesalzen oder
geräuchert ward, waren die gewöhnlichen
Nahrungsmittel; dazu geronnene Milch,
Butter, Käse, wilde Obstarten, Rettige
und anderes Wurzelwerk, berauschendes
Bier von Gerste und Weizen, mit Honig
gemischt. Auch Pferdefleisch wurde ge-
gessen. Wein war nur in der Nähe
der römischen Grenze bekannt; man war
ihm leicht unmäßig ergeben, wenn man
ihn einmal kennen gelernt hatte.
Das Kleid war ein anliegender Rock,
ohne Aermel, mit einer stark ausge-
schnittenen Oeffnung für den Hals, die
auch zugleich den oberen Theil der
Brust frei ließ; die Hose, welche die
Beine vollständig deckte, wurde erst
später allgemeiner getragen. Leinen
oder grobes Wollenzeug war der ge-
wöhnliche Stoff; die Frau mit ihren
Mägden webte für alle Genossen des
Hauses. Ueber dem leinenen Rock be-
festigte man kunstlos einen viereckigen
Mantel von grober Wolle, der im Kampfe
abgeworfen wurde; die Füße waren
durch Sohlen von ungegerbtem Leder
oder durch Knöchelschuhe geschützt. Die
Kleidung dcr Frauen war nur wenig
zierlicher, desselben Schnitts, etwa nur
noch mit einem Purpurstreifen umsäumt.
Iii.
Das Bestellen des Ackers, das sorg-
same Abwarten der Frucht, die man