1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
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100. Theudelinde. 101. Der Untergang des Agilolfingergeschlechtes.
100. Theudelinde.
Zur Zeit da Garibald I. Herzog
der Bajuwaren war, regierte als König
des Longobardenreiches in Oberitalien
Authari. Dieser sandte Boten zu
Garibald und ließ um dessen Tochter
Theudelinde werben. Garibald nahm
die Boten freundlich auf und versprach,
König Authari's Bitte zu erfüllen. Als
dies die zurückkehrenden Gesandten ihrem
König verkündet hatten, wünschte er
selbst, aber ohne erkannt zu werden,
seine Braut zu sehen. Er wählte sich
also unter den Longobarden einige zu-
verläßige Männer ans, namentlich einen
sehr treuen, älteren Mann, den er zum
Führer des Zuges machte, und mit
diesem Zuge reiste er selbst nach Bayern,
jedoch in nichts von seinen übrigen Be-
gleitern unterschieden. Die Gesandtschaft
wurde nach gewöhnlichem Gebrauch vor
Garibald geführt und der alte Mann
brachte seine Rede vor. Garibald ließ
nun seine Tochter Theudelinde kommen
und diese kredenzte zuerst dem Alten
und dann Authari den Becher. Nachdem
sich die Gesandtschaft verabschiedet hatte
und die Heimreise antrat, gaben ihr
Bayern das Geleite bis an die Grenze.
Hier richtete sich Authari auf seinem
Pferde empor, so hoch er konnte, schlug
mit aller Kraft seine Streitaxt in einen
nahen Baum, daß sie darin haften blieb
und sprach: „Solche Schläge führt
Authari!" Hieraus erkannten die Bayern,
daß er der König selbst sei.
Einige Zeit nachher überzog der
Frankenkönig Bayern mit Krieg; da
floh Theudelinde mit ihrem Bruder
Gundoald nach Italien und schickte ihrem
Verlobten Authari Nachricht, daß sie
ihn um Schutz ersuchte. Authari ritt
ihr mit großem Gefolge entgegen, und
als er ihr in der Mitte des Monats
Mai auf dem sardischen Gefilde bei
Verona begegnete, ließ er sogleich An-
stalten zur Hochzeit treffen. Unter dem
Jubel der Longobarden wurde diese voll-
zogen und Theudelinde war Königin
der Longobarden.
Schon im Jahre 601, nachdem Authari
sechs Jahre König der Longobarden ge-
wesen, starb er vor Ticinum. Theude-
linde aber hatte sich die Zuneigung der
Longobarde» in so hohem Grade er-
worben, daß diese ihr gestatteten, Königin
zu bleiben, ja, daß sie versprachen, den-
jenigen als König anzuerkennen, den
sie sich zum Gemahl ersehen würde.
Da berief die Königin die weisesten
Männer und beredete sich mit ihnen.
Auf deren Rath erwählte sie Agilulf,
einen tapferen und thätigen Mann, an
Geist und Körper wohl zur Herrschaft
geschickt. Das ganze Volk bestätigte in
feierlicher Volksversammlung auf den
Feldern von Mailand die Wahl, und die
Hochzeit wurde mit großem Jubel gefeiert.
Theudelinde zeichnete sich namentlich
durch ihre Frömmigkeit aus. Sie er-
baute zu Ehren des heiligen Johannes
des Täufers zu Moditia oder Monza
eine Kirche und beschenkte dieselbe reich
mit Gold und Silber. In dieser Kirche
wurde die berühmte eiserne Krone auf-
bewahrt, mit welcher nachmals die
deutschen Kaiser als Könige von Italien
gekrönt wurden. Dieselbe war jedoch nicht
von Eisen, sondern von gutem Golde,
inwendig aber lief ein eiserner Ring
herum, welcher nach der Sage von einem
Nagel des Kreuzes Christi geschmiedet war.
Bei dem Papste in Rom war Theu-
delinde in großem Ansehen und sie stund
mit demselben in Briefwechsel. Als
besonderes Verdienst wurde es ihr an-
gerechnet, daß es ihren ebenso klugen
als eifrigen Bemühungen gelang, die
vorher der arianischen Lehre zugethanen
Longobardenallmühlichwiederderrömisch-
katholischen Kirche zuzuführen.
101. Der Untergang des Agilolfingergeschlechtes.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, j wissen, wenn auch nur losen und bloß
daß die ersten bayerischen Herzoge aus > äußerlichen Abhängigkeitsverhältniß zum
dem Agilolfingerstamme in einem ge- ' fränkischen Reiche standen. Aber im