1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
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Hi. Geschichtsbilder.
See durch Ueberfälle die Küsten Galliens
und Deutschlands verheerten, mußte
sich Karl vertheidigen. Ihr König
Godfried erschien (808) mit einer Heeres-
macht sogar vor dem Königssitze Aachen.
In Eile sammelte Karl ein Heer; aber
ehe es noch zu der von Godfried ange-
drohten Feldschlacht kam, wendete des
letzteren Tod die Gefahr ab, und die
unter den Söhnen ausbrechenden Thron-
streitigkeiten verhinderten weitere Kriege.
Das Land zwischen Schlei und Eider
blieb den Franken und wurde später
zur Nord mark.
So hatte sich denn das Reich Karl
des Großen ausgedehnt von der Elbe
bis zu den Pyrenäen, von der Nord-
und Ostsee bis zum adriatischen Meere,
und Karls Scepter waltete über fast
ganz Frankreich, Deutschland :
und Italien. Deutsche, Slaven,
Avaren, Spanier, Araber, Langobarden,
Italiener waren ihm Unterthan, eine
„Herrschaft, wie sie seit dem Unter-
gänge des Römerreiches nicht war
gesehen" worden. Sein Ruhm aber
ging weit über die Grenzen seines
Reiches hinaus. Gothische, schottische,
irische Fürsten nannten sich seine Unter-
thanen; britische Fürsten kamen an
seinen Hof, der Patriarch von Jeru-
salem sandte ihm die Schlüssel zum
heiligen Grabe, zum Calvarienberge und
Zur Stadt sammt einer Fahne; der
mächtige Chalif Harun al Raschid be-
wunderte Karl und suchte dessen Freund-
schaft. Auch der Papst, dankbar für
Karls einstimmige Hülfeleistung, setzte
ihm die kaiserliche Krone auf und salbte
ihn zum römischen Kaiser und ernannte
dadurch ihn und seine Söhne zu
Schutzherren Roms. Dies geschah bei
der Scheide zweier Jahrhunderte, am
25. Dezember, am Weihnachtstage des
Jahres 800.
Von jetzt an arbeitete Karl haupt-
sächlich an der inneren Entwickelung
seines Reiches. So nahm er sich der
Kirche und des Staates gleichmäßig
und bis in's Einzelnste an. Aber ob-
wohl in Alles eingreifend, ließ er doch
Kirche und Völkern Freiheit und Selbst-
ständigkeit der Entwickelung. Er hatte
mit der Uebernahme der römischen !
Kaiserwürde nicht den germanischen
Sinn für Freiheit verloren.
Er gründete Kirchen und Klöster
und beschenkte sie reichlich. Eben so
sehr sorgte er aber auch für die Rechte
seiner weltlichen Unterthanen durch
weise Gesetze und Aufstellung tüchtiger
Beamten.
Die Bildung fand einen hervorra-
genden Beschützer an ihm; denn er
gründete Schulen, ließ eine deutsche
Sprachlehre schreiben und die alten
Heldenlieder sammeln, welche noch im
Munde des Volkes lebten.
Selbst in Bezug auf den Landbau
ward er durch Anordnungen für die
königlichen Güter das Vorbild eines
sorgsamen, weisen und gerechten Guts-
herrn. Er gab Verordnungen über
Ackerbau, Garten-, Weinbau, Hausein-
richtung, Jagd u. s. w.
Seinem Reiche suchte er von jetzt
an die Ruhe zu erhalten. Er ordnete
den Heerbann, schützte durch Aufstellung
von Markgrafen, denen er eine größere
Gewalt in die Hand gab, die Grenzen
seines Reiches und baute zur Wehr
gegen die Ueberfälle der Normanen
und Mauren Flotten und Festungen,
besichtigte sie selbst, legte Häfen an
und setzte Wachtposten hinein. So war
er fortwährend für sein Reich besorgt,
und es gibt kein Gebiet des Staats-
lebens, wo Karl nicht, an frühere Einrich-
tungen anknüpfend, rastlos die bessernde
Hand angelegt hätte, bald ergänzend,
bald ordnend, nie aufhebend oder zer-
störend. Nach allen Seiten hin hat er
so Samenkörner ausgestreut, von denen
zwar einzelne im Drange der Ver-
hältnisse erstickten, die Mehrzahl aber
doch Früchte trug. Aus allen seinen
Thaten, wie Gesetzen aber blickt stets
der Geist der Frömmigkeit, der Weis-
heit, des Rechtes und der Milde hin-
durch. Und wenn dennoch scheinbare
Härte aus diesem so harmonisch gestal-
teten Wesen hervorbrechen, so ist nicht
Willkür, sondern Ueberzeugung die
Quelle davon.
4. Nicht uninteressant dürfte es sein,
auch von der Person Karls des Großen
zu reden.
Er war eine gewaltige Erscheinung,