1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
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Iii. Geschichtsbilder.
des Kahlen zu versichern. Mit dessen
Hülfe gedachte er seinen Bruder Ludwig
von Bayern zu bekämpfen und zu
vernichten; war ihm dieses gelungen,
dann hoffte er leicht auch Karls sich
entledigen zu können. Noch zur rechten
Zeit durchschaute Karl Lothars Absichten
und schloß sich um so enger an Ludwig
an. Beide vereinigten ihre Heereskräfte
und forderten Lothar auf, ihnen das
zu gewähren, was ihnen mit Fug und
Recht gebühre; weigere er sich dessen,
so solle das Gottesurtheil des Kampfes
entscheiden. Hartnäckig wies Lothar
die Friedensvorschläge ab und verbün-
dete sich mit seinem Neffen Pipin von
Aquitanien. Schon standen Ludwig
und Karl dem Heere Lothars gegenüber,
bevor noch Pipin zu diesem gestoßen
war. Auch jetzt noch wünschten die
ersteren den Frieden ohne Waffengewalt
hergestellt zu sehen und sandten aber-
mals Boten an Lothar mit neuen
Vorschlägen und Zugeständnissen. Aber
Lothar hatte kein Gefühl für solchen
Edelmuth. Zwar gab er sich den Schein,
als ob er auf die Vorschläge seiner
Brüder eingehen wolle, und schloß einen
Waffenstillstand ab, welchen drei Grafen
in seinem Namen beschworen. In Wirk-
lichkeit wollte er nur Zeit gewinnen,
um das Eintreffen seines Verbündeten
Pipin abzuwarten. Und als dieser
unmittelbar nach Abschluß des Waffen-
stillstandes erschien, forderte Lothar,
uneingedenk der Waffenruhe, seine Brü-
der zu augenblicklicher Unterwerfung
auf. Karl und Ludwig aber antwor-
teten voll gerechter Entrüstung, den
andern Morgen würden sie erscheinen
zum Urtheile des allmächtigen Gottes
durch die Waffen.
Der andere Tag war ein Sonntag,
der 25. Juni des Jahres 841. Bei
Fontenaille (Fonteay) in Burgund stan-
den sich die Heere gegenüber. Der
Kampf begann. Er war lang und heiß.
Zuerst wurden Lothars, dann auch
Pipins Schaaren in die Flucht geschlagen.
Ludwig und Karl hatten einen glänzen-
den Steg erfochten. In den Nachmit-
tagsstunden wohnten die Sieger noch
dem sonntägigen Gottesdienste bei. Dar-
auf wurden die Todten bestattet und
die Verwundeten der nöthigen Pstege
übergeben, dabei Freunden und Feinden
gleiche Sorgfalt gewidmet. Solche Milde
der Sieger ehrte noch den Ruhm des
Sieges. Doch versäumten die beiden
Brüder ihren Sieg zu benutzen, und so
gewann das geschlagene Heer Zeit zum
ungefährdeten Rückzug. Pipin war nach
Aquitanien, Lothar nach Aachen ent-
ronnen. Dies hatte auch eine Trennung
des siegreichen Heeres zur Folge, indem
Karl dem Pipin, Ludwig dem Lothar
folgte. Durch erfolgloses Hin- und
Herziehen der Heere wurde die Last.
des Krieges nur vergrößert und die
Entscheidung verzögert. Da zudem Lothar
die Sachsen gegen Ludwig aufgewiegelt
hatte, so beschloß letzterer, die Entschei-
dung herbeizuführen. Er vereinigte (842)
bei Straßburg seine Streitkräfte mit
denen Karls. Da schwuren sich beide
feierlich Bundestreue und ließen ihre
Heere gleichfalls diesen Eid ablegen.
Bei dieser Gelegenheit zeigte sich der
Gegensatz der Nationalitäten in der
Sprache. Karls und Ludwigs Krieger
verstanden sich nicht mehr, weil in
Gallien, wo jene daheim waren, die
Verschmelzung germanischer (fränkischer)
Volksart mit romanisch-keltischer und
die Umwandlung der ftänkischen Sprache
in eine romanische bereits vollendet
war. Es waren nicht mehr West-und
und Oftfranken, wie sie noch hießen,
sondern in der That schon Franzosen
und Deutsche, welche sich hier gegenüber
standen. Die Leute Ludwigs schwuren
in deutscher, die Karls in romanischer
Sprache. Das war ein Zeichen, daß die
Theilung derreiche bald nachfolgen werde.
Nachdem die beiden Könige ihr
Bündniß in solcher Weise befestigt,
brachen sie auf gegen Aachen, dessen
Besitz als Haupt- und Krönungsstadt
des Reiches von Wichtigkeit war. Nach
einem vergeblichen Versuch, ihnen den
Moselübergang zu wehren, floh Lothar,
und Karl" und Ludwig hielten ihren
Einzug in Karls des Großen ehrwürdige
Stadt.
Der Austrag des Erbfolgestreites
ward einem Schiedsgericht übertragen.
Nach langen und schwierigen Verhand-
lungen kam endlich der denkwürdige