1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
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Hi. Geschichtsbilder.
schwanden vor ihnen; nur die Städte
mit ihren Mauern waren ihnen zu
stark, — denn noch war ihnen die Be-
lagerungskunst fremd. Hundert Stun-
den, von Alt-Ofen bis an den Lech, ging
diesmal ihr Verheerungszug; Mönche
und Landlente flohen fchreckensvoll vor
ihnen hinter die Mauern der Städte.
Mit Beute beladen wandten die
Magyaren um. Am Ufer der Donau
wurden sie von dem Bayernherzog Luit-
pold und dem Bischof von Passau über-
fallen. Auf beiden Seiten blieben Viele;
12,000 sollen die Magyaren verloren
haben, nach andern Angaben wahr-
scheinlicher 1200; auch gestanden sie
den Deutschen weder den Sieg, noch
sich eine Niederlage. Und sie kehrten
in den folgenden Jahren (v. 901 — 907)
zwar nicht mit der ganzen Kriegsmacht
ihres Volkes, aber in zahlreichen Streif-
horden wieder, ohne Arpads persönliche
Führung, jedoch unter andern glücklichen
Anführern, und selbst Regensburg wurde
von ihnen in Brand gesteckt.
Im Jahre 907 begruben die Ma-
gyaren ihren Herzog, den Helden Arpad,
an der Quelle eines Baches unweit
Budwar, und ihm folgte sein unmün-
diger Sohn Zoltan, den sie noch zu
Lebzeiten seines Vaters als dessen Nach-
folger auf dem Schild erhoben hatten.
Mit dem Tode des alten Helden glaubte
man im deutschen Reiche die Kraft und
den Eroberungsgeist der Magyaren ge-
brochen, und der Neichsverweser Hatto
hielt den Augenblick für günstig, ihnen
alle frühere Unbill zu vergelten und die
Grenzen des Reiches für immer von
ihnen zu befreien. Zwischen Ennsburg
und dem Stift St. Florian im jetzigen
Oesterreich zog sich die Heeresmacht des
Reichs zusammen, und der junge König
selbst begab sich in das Heerlager.
Nicht nur die Fürsten und Herren
fanden sich ein, sondern auch viele
Bischöfe nahmen den Streitkolben, und
Aebte zogen den Harnisch über die
Kutte. Aber der Krieg fiel unglücklich
für den König und die deutschen Heere
aus. Die Magyaren waren schneller
als sie, und ihre Art zu kämpfen war
den Deutschen noch immer ebenso fremd,
als gefährlich. Das königliche Heer
sah sich angegriffen, ehe es einen Kriegs-
plan gemacht, ja ehe es seine Haufen
ganz zusammen gezogen hatte. Dc>
Magyaren ließen es nicht zu einer ge-
ordneten Schlacht kommen; hier und
dort, von allen Seilen stürmten Schaaren
heran, griffen wüthend an, flohen jetzt
zurück, und sobald die Deutschen, ihre
Ordnung verlassend, sie verfolgten, wand-
ten sie sich wieder ihnen entgegen;
ihre Flucht war verstellt, ihr erneuter
Angriff war ein Ueberfall; ein Hagel
von Pfeilen und Wurfspießen und ihre
durchstürmenden Rosse, mit denen sie
die unbehülflichen Feinde zu Boden ritten,
wurden das Verderben der Deutschen.
Drei Tage lang hielt das Reichs-
heer den Kampf aus; aber alle seine
Haufen wurden geworfen. Herzog Luit-
pold von Bayern — es waren seit
längerer Zeit wieder überall Herzoge —
fiel selbst im Kampfe. Mit dem Tode
dieses tapfern Heerführers war der
letzte Widerstand gebrochen, und die
Sieger vollendeten die Niederlage.
Es blieben unter ihrem Schwert der
Erzbischof Ditmar von Salzburg, mehrere
Bischöfe, Eisengrün, des Königs Truch-
seß, 15 Grafen und eine Menge Herren
und Knechte.
Unaufgehalten ergoß sich der Sieges-
ftrom der Magyaren über das ganze
Land, und richtete große Verheerungen
an. Und kaum hatte er sich zurückge-
zogen, als er im folgenden Jahre noch
furchtbarer hervorbrach. Der Schrecken
und die Muthlosigkeit, sowie die große
Beute, welche die Magyaren bei ihren
Feinden gefunden, waren zu reizend,
als daß sie lange hätten stille sitzen
können. Sie wagten bis Thüringen
und Obersachsen zu streifen. Das Land
glich bald unter diesen Horden einer
Wüste. Dörfer und Höfe waren ver-
lassen, die Felder ungebaut, die Bewohner
der Städte und Schlösser in ihren Mauern
eingeschlossen, dem Mangel aller Art
Preis gegeben, Kirchen und Klöster ent-
weder zerstört oder ausgeraubt.
Das Jahr darauf überschwemmten
ihre Streithorden Bayern, Schwaben
und Franken. König Ludwig sah mit
Schmerz und Zorn so vieles Elend
! seines Volkes.