1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
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Iii. Geschichtsbilder.
len von der Stadt, aufgeschlagen war.
Hier wurde den versammelten Ständen
verkündet: Jasomirgott werde das Her-
zogthum Bayern an Heinrich den Lö-
wen abtreten und dafür das Land ob
der Enns und die Ostmark als eignes
Herzogthum, begabt mit großen Vor-
rechten, zur Entschädigung erhalten.
Nach Verkündigung des Beschlusses über-
gab Heinrich Xi. dem Kaiser sieben
Fähnlein, von denen Friedrich fünf
Heinrich Xii. überreichte, die andern
zwei Heinrich Xi. zurückstellte. So
entstand das Herzogthum „Oesterreich".
Durch glückliche Kriege gegen die
slavischen Völkerschaften brachte Hein-
rich Xii. noch neue Besitzungen an sich.
Seine Macht war der eines Königs ver-
gleichbar: Bayern, Sachsen, die reiche
Erbschaft des Kaisers Lothar, die Er-
oberungen im Norden, die den Bischö-
fen abgenommenen oder zum Lehen er-
haltenen geistlichen Güter bildeten eine
Masse von Ländern, größer als sie der
Kaiser selbst unmittelbar besaß. Und
doch, auch von der Höhe dieser Macht
mußte Heinrich Xii. gleich seinem Va-
ter heruntersteigen in die Niedrigkeit.
Es traten Verhältnisse ein, welche das
innige Band zwischen dem Kaiser und
dem Herzog rissen und des letzteren
Sturz zur Folge hatten. Zum vierten
Zuge nach Italien erbat sich Friedrich
den Beistand Heinrichs. Aber dieser
weigerte die Heeresfolge unter Vor-
wänden, die sich dem Kaiser und Jedem
als nichtig darstellen mußten. Sein
Alter, sagte Heinrich, mache ihn un-
fähig zu Feldzügen und doch zählte er
erst 46 Jahre und der Kaiser stand in
höherem Alter, auch sprach er von sei-
ner Scheu, einem Gebannten zu folgen,
während er ihm doch 16 Jahre lang
ohne Rücksicht auf den päpstlichen Bann-
fluch Beistand geleistet; endlich stellte er
sich besorgt vor einheimischen Feinden:
allein seine schwächern Nachbarn hätten
sicher am wenigsten einen Angriff ge-
wagt, wenn er dem Kaiser Freund ge-
blieben wäre. Die eigentlichen Gründe
der Weigerung lagen tiefer. In Hein-
richs Herzen lebte ein Groll gegen
Friedrich, weil dieser die Güter Welfs Iii.,
des Aelteren an sich j gebracht hatte.
Dieser hatte sich nach dem Tode seines
einzigen Sohnes in Memmingen nieder-
gelassen, wo er lustige geldarme Ritter
bei sich'aufnahm, in Jagden, Gastmäh-
lern und sonstigen Festen große Sum-
men verschwendete und so in Schulden
gerieth, zu deren Tilgung Heinrich der
Löwe aus kurzsichtiger Sparsamkeit nichts
hergeben wollte, während Friedrich frei-
gebig Unterstützungen gewährte. Vor sei-
nem Tode ward jedoch Welf des Sin-
nengenusses überdrüssig, rief seine früher
verstoßene Gemahlin wieder zurück,
machte den Armen, Geistlichen und Klö-
stern reiche Schenkungen und setzte in
dankbarer Erinnerung an die empfan-
genen Wohlthaten den Kaiser zu seinem
Erben ein. Zu dieser Mißstimmung
Heinrichs gegen Friedrich wegen der
Wölfischen Erbschaft trat noch ein an-
derer Grund. Heinrich fühlte sich jetzt
so mächtig, als der Kaiser selbst; dar-
um wollte er nicht länger als des
Kaisers gehorsamer Reichsstand seine
Kräfte in dessen Diensten, sondern für
seinen eigenen Zweck verwenden. Eine
Schwächung der Kaisermacht in Italien
konnte ihm nur erwünscht und förder-
lich scheinen, um seine eigene Macht
auszudehnen.
Der Kaiser hoffte durch mündliche
Besprechung Heinrich noch gewinnen zu
können. In Chiavenna (nach Anderen
in Partenkirchen) trafen beide Männer
zusammen. Friedrich hörte des Löwen
Einwände ruhig an und widerlegte sie
nach Kräften. Er erinnerte ihn an
seine bisherigen treuen Dienste, an
seinen dem Reiche geleisteten Eid, an
die heiligen Bande des Blutes, welche
sie beide verknüpfe und beschwor den
Welfenfürsten, in dieser Bedrängniß
nicht von ihm zu lassen. Vergebens!
Ja, der Kaiser soll so weit gegangen
sein, von seinem Sitze herabzusteigen
und Heinrichs Kniee zu umfassen. Die-
ser, darüber erschrocken, habe zwar den
Kaiser aufzuheben gesucht, sei aber auf
seiner Weigerung bestanden. Da habe
sich die Kaiserin würdevoll ihrem Gat-
ten genaht und gesagt: „Lieber Herr,
stehe auf; Gott wird dir Hülse leisten,
und du wirst einst dieses Tages und
dieses Hochmuthes gedenken." — Von