1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
256
Iii. Geschichtsbilder.
traf er ihn mit seinem Schwerte der-
gestalt, daß er für todt hinweggetragen
wurde. Der König verbiß seinen Zorn,
als er sah, daß die französischen Ritter
des Grafen That billigten; — das
Urtheil aber blieb ungeändert! Hierauf
bat Konradin, daß man ihm noch ein-
mal das Wort verstatte, und sprach
mit großer Fassung: „Vor Gott habe
ich als Sünder den Tod verdient, hier
aber werde ich ungerecht verdammt. Ich
frage alle die Getreuen, für welche
meine Vorfahren hier väterlich sorgten,
ich frage alle Häupter und Fürsten
dieser Erde: ob der des Todes schuldig
ist, welcher seine und seiner Völker
Rechte vertheidigt? Und wenn auch ich
schuldig wäre, wie darf man die Un-
schuldigen grausam strafen, welche,
keinem Anderen verpflichtet, in löblicher
Treue mir anhingen?" Diese Worte
erzeugten Rührung, aber keine That;
und der, dessen Rührung allein hätte
in Thaten übergehen können, blieb nicht
bloß versteinert gegen die Gründe des
Rechts, sondern auch gegen die Ein-
drücke, welche Stand, Jugend und Schön-
heit der Verurtheilten auf jeden mach-
ten. — Da warf Konradin seinen Hand-
schuh vom Blutgerüste hinab, damit er
dem Könige Peter von Aragonien als
ein Zeichen gebracht werde, daß er ihm
alle Rechte auf Apulien und Sicilien
übertrage. Ritter Heinrich Truchseß von
Waldburg nahm den Handschuh auf und
erfüllte den letzten Wunsch seines Fürsten.
Dieser, aller Hoffnung einer Aen-
derung des ungerechten Spruches be-
raubt, umarmte seine Todesgenoffen,
besonders Friedrich von Oesterreich, zog
dann sein Oberkleid aus und sagte,
Arme und Augen gen Himmel hebend:
„Jesus Christus, Herr aller Kreaturen,
König der Ehren! Wenn dieser Kelch
nicht vor mir vorübergehen soll, so be-
fehle ich meinen Geist in deine Hände!"
Jetzo kniete er nieder, rief aber dann
noch einmal, sich emporrichtend, aus:
„O Mutter, welches Leiden bereite ich
dir!" Nach diesen Worten empfing er
den Todesstreich. — Als Friedrich das
Haupt seines Freundes fallen sah, schrie
er in unermeßlichem Schmerze so ge-
waltsam auf, daß alle anfingen, zu
weinen. Aber auch sein Haupt fiel.
— Die Leichen der Hingerichteten wur-
den nicht in geweihter Erde begraben,
sondern am Strande des Meeres, oder,
wie andere erzählen, auf dem Kirch-
hofe der Juden verscharrt.
Konradins Mutter eilte nach Neapel,
ihren Sohn zu lösen, kam aber zu spät,
und erhielt bloß die Erlaubniß , eine
Kapelle über seinem Grabe zu erbauen.
Eine starke Säule von rothem Por-
phyr und eine darüber erbaute Kapelle
bezeichneten Jahrhunderte lang die Blut-
stelle, bis in unsern, gegen Lehren und
Warnungen der Vorzeit nur zu gleich-
gültigen Tagen die Säule weggebracht,
die Kapelle-zerstört und an ihrer Stelle
ein Schenkhaus angelegt wurde!
119. Rudolf von Habsburg und Ottokar von Böhmen.
sie und das Reich zu schützen, aber
Der gesunde Sinn des deutschen
Volkes sehnte sich nach der „kaiserlosen,
der schrecklichen Zeit," Interregnum ge-
nannt, wieder nach Einheit und Gesetz-
lichkeit, nach einem kräftigen und guten
Herrscher.
Klug gemacht durch den offenbaren
Nachtheil, den fremdländische Könige dem
deutschen Vaterlande gebracht hatten,
schlug das Wahlkollegium nur deutsche
Fürsten vor, wie Ludwig von Bayern
und Rudolf von Habsburg. Doch neben-
bei für ihre Sicherheit besorgt, wollten
sie einen Herrscher, zwar kräftig genug,
nicht so mächtig, um Fürsten oder ein-
zelne Städte zu erdrücken. In jedem
Falle aber gelobten sie, ihre Rechte dem
König gegenüber zu wahren. Für sie
war daher Ottokars von Böhmen Macht
zu ungeheuer und sein herrschsüchtiger
Charakter zu gefährlich. Rudolf von
Habsburg dagegen war ganz der Mann,
dem Volke Schutz und Schirm zu sein,
ohne der Herrschaft der einzelnen Für-
sten zu schaden. Auf der andern Seite
war er aber doch nicht schwach, denn
er war im Elsaß und den oberen Landen