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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 258

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
258 Iii. Geschichtsbilder. giger Herrscher. Auf dem glänzenden Reichstage zu Nürnberg, wo die Blüthe der Geistlichkeit, der Reichsfür- sten und Ritter versammelt war, wurde nach alter Landessitte der Pfalzgraf am Rhein als Richter in den Klagen des Kaisers über entzogenes Reichsgut zum Urtheil aufgefordert. Was Ottokar gefürchtet hatte, der Verlust der angemaßten Güter, ja noch mehr, der Verlust seiner Erblande stand bevor. Anstatt durch freiwillige Unter- werfung sich diese zu erhalten, trotzte er fort und erschien auch nicht in der zur Unterwerfung festgesetzten Frist zu Würz- b n r g. Einer weiteren Vorladung leistete Ottokar wieder keine Folge, im Gegen- theil schuf er dem König neue Feinde, indem er durch Geld und Boten den Partheihaß in der Lombardei anschürte und die Unabhängigkeitsliebe der italie- nischen Städte entflammte. Der Reichs- krieg gegen Ottokar ward also immer unvermeidlicher. Wenn der König ruhig und mit Ehren auf dem Throne sitzen wollte, mußte er diesen übermüthigen, wenn auch mächtigen Vasallen des Rei- ches seinem Scepter unterwerfen. Eben auf seine Macht steifte sich Ottokars Trotz. Der geldarme Graf schien ihm verächtlich; allein in Wirklichkeit war Rudolf nicht so ohnmächtig, Ottokar nicht so furchtbar. Ottokar hatte wohl Krieger, aber nicht die Liebe des Heeres und der Länder hinter sich. Anders bei Rudolf. Er ersetzte Kriegs- und Län- dermacht durch Klugheit und durch sein einnehmendes Wesen. Rudolf umgibt überall Treue und Freundschaft, Ottokar Untreue und Haß; dennoch verweigert dieser höhnisch und spottend die Zurück- gabe der in Besitz genommenen Länder, als der Burggraf im Aufträge des Königs und Reichs sie fordert. Wider Erwarten rückte Rudolf über Regensburg, durch Niederbayern über Passau nach Oester- reich (September 1276). Linz und Enns öffneten freiwillig die Thore und erhiel- ten als Belohnung für ihre Ergebenheit Freiheiten und Geschenke. Diesem Bei- spiele folgten auch Steiermark und Kärnthen. Ohne Schwertstreich drang Rudolf mit beständig anschwellendem Heere bis nach Wien vor, das, treu zu Ottokar haltend, einer fünfwöchent- lichen Belagerung trotzte. Ottokar rückte indessen nach Wien, das mit Klosterneu- burg sein letzter Hoffnungsanker war, seit sein Bundesgenosse Heinrich und die Vasallen auf dem rechten Donau- ufer untreu geworden; denn Wien und Klosterneuburg, beide stark befestigt und beide ihm treu ergeben, lagen einander so nahe, daß sie sich gegenseitig Trup- pen und Zufuhr schicken konnten; durch die zweite Festung war außerdem der Donauübergang geschützt. Von allen Seiten stürmte nun das Unglück auf Ottokar ein. Rudolf erhielt neue Stär- kungen aus Steiermark. Die Ungarn, Ottokars Feinde seit ihrer letzten Nieder- lage, erschienen zur Rache bereit an der Grenze. Seine eigenen böhmischen Lan- desherren entzogen ihm bedeutende Streit- kräfte. Dazu überfiel Rudolf Kloster- neuburg und erzwang den Donauüber- gang, willens, das böhmische Lager zu erstürmen. Mit Ingrimm, aber zur rechten Zeit beugte Ottokar seinen stolzen Sinn und ergab sich. Zwei Schieds- richter von jeder Seite bestimmten die Friedensbedingungen. Rudolf, wie immer mild und versöhnlich, gab an Ottokar keine Strafe, keinen Verweis, nahm Acht und Bann zurück und belehnte ihn mit Böhmen und Mähren. Nur was des Kaisers und des Reichs war, verlor er. Politisch suchte übrigens Rudolf den Böhmenkönig durch eine Wechselheirath der Kinder an sein Haus und seine Interessen zu fesseln, schloß jedoch für den Fall eines Krieges auch die Ungarn in den Frieden ein, um an ihnen bereite Bundesgenossen zu haben, wenn er von Ottokar angegriffen würde. In der That war dieser durchaus nicht gewillt, den Frieden zu halten; er betrachtete ihn nur als Waffenstillstand. Vorläufig je- doch zu schwach, beugte er huldigend vor Rudolf das Knie und empfing Mähren und Böhmen als Lehen. Dann rückte er aus dem Felde und Wien öffnete dem König Rudolf seine Thore. Das Reichsheer ward entlassen, und da auch die Kosten zum Unterhalte der bleibenden Truppen noch zu bedeutend waren, so schrieb der König nach altem königlichen Rechte eine Landsteuer aus;
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