1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
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Iii. Geschichtsbilder.
giger Herrscher. Auf dem glänzenden
Reichstage zu Nürnberg, wo die
Blüthe der Geistlichkeit, der Reichsfür-
sten und Ritter versammelt war, wurde
nach alter Landessitte der Pfalzgraf am
Rhein als Richter in den Klagen des
Kaisers über entzogenes Reichsgut zum
Urtheil aufgefordert.
Was Ottokar gefürchtet hatte, der
Verlust der angemaßten Güter, ja noch
mehr, der Verlust seiner Erblande stand
bevor. Anstatt durch freiwillige Unter-
werfung sich diese zu erhalten, trotzte er
fort und erschien auch nicht in der zur
Unterwerfung festgesetzten Frist zu Würz-
b n r g. Einer weiteren Vorladung leistete
Ottokar wieder keine Folge, im Gegen-
theil schuf er dem König neue Feinde,
indem er durch Geld und Boten den
Partheihaß in der Lombardei anschürte
und die Unabhängigkeitsliebe der italie-
nischen Städte entflammte. Der Reichs-
krieg gegen Ottokar ward also immer
unvermeidlicher. Wenn der König ruhig
und mit Ehren auf dem Throne sitzen
wollte, mußte er diesen übermüthigen,
wenn auch mächtigen Vasallen des Rei-
ches seinem Scepter unterwerfen.
Eben auf seine Macht steifte sich
Ottokars Trotz. Der geldarme Graf schien
ihm verächtlich; allein in Wirklichkeit
war Rudolf nicht so ohnmächtig, Ottokar
nicht so furchtbar. Ottokar hatte wohl
Krieger, aber nicht die Liebe des Heeres
und der Länder hinter sich. Anders bei
Rudolf. Er ersetzte Kriegs- und Län-
dermacht durch Klugheit und durch sein
einnehmendes Wesen. Rudolf umgibt
überall Treue und Freundschaft, Ottokar
Untreue und Haß; dennoch verweigert
dieser höhnisch und spottend die Zurück-
gabe der in Besitz genommenen Länder,
als der Burggraf im Aufträge des Königs
und Reichs sie fordert. Wider Erwarten
rückte Rudolf über Regensburg, durch
Niederbayern über Passau nach Oester-
reich (September 1276). Linz und Enns
öffneten freiwillig die Thore und erhiel-
ten als Belohnung für ihre Ergebenheit
Freiheiten und Geschenke. Diesem Bei-
spiele folgten auch Steiermark und
Kärnthen. Ohne Schwertstreich drang
Rudolf mit beständig anschwellendem
Heere bis nach Wien vor, das, treu
zu Ottokar haltend, einer fünfwöchent-
lichen Belagerung trotzte. Ottokar rückte
indessen nach Wien, das mit Klosterneu-
burg sein letzter Hoffnungsanker war,
seit sein Bundesgenosse Heinrich und
die Vasallen auf dem rechten Donau-
ufer untreu geworden; denn Wien und
Klosterneuburg, beide stark befestigt und
beide ihm treu ergeben, lagen einander
so nahe, daß sie sich gegenseitig Trup-
pen und Zufuhr schicken konnten; durch
die zweite Festung war außerdem der
Donauübergang geschützt. Von allen
Seiten stürmte nun das Unglück auf
Ottokar ein. Rudolf erhielt neue Stär-
kungen aus Steiermark. Die Ungarn,
Ottokars Feinde seit ihrer letzten Nieder-
lage, erschienen zur Rache bereit an der
Grenze. Seine eigenen böhmischen Lan-
desherren entzogen ihm bedeutende Streit-
kräfte. Dazu überfiel Rudolf Kloster-
neuburg und erzwang den Donauüber-
gang, willens, das böhmische Lager zu
erstürmen. Mit Ingrimm, aber zur
rechten Zeit beugte Ottokar seinen stolzen
Sinn und ergab sich. Zwei Schieds-
richter von jeder Seite bestimmten die
Friedensbedingungen. Rudolf, wie immer
mild und versöhnlich, gab an Ottokar
keine Strafe, keinen Verweis, nahm Acht
und Bann zurück und belehnte ihn mit
Böhmen und Mähren. Nur was des
Kaisers und des Reichs war, verlor er.
Politisch suchte übrigens Rudolf den
Böhmenkönig durch eine Wechselheirath
der Kinder an sein Haus und seine
Interessen zu fesseln, schloß jedoch für
den Fall eines Krieges auch die Ungarn
in den Frieden ein, um an ihnen bereite
Bundesgenossen zu haben, wenn er von
Ottokar angegriffen würde. In der That
war dieser durchaus nicht gewillt, den
Frieden zu halten; er betrachtete ihn
nur als Waffenstillstand. Vorläufig je-
doch zu schwach, beugte er huldigend
vor Rudolf das Knie und empfing
Mähren und Böhmen als Lehen. Dann
rückte er aus dem Felde und Wien
öffnete dem König Rudolf seine Thore.
Das Reichsheer ward entlassen, und
da auch die Kosten zum Unterhalte der
bleibenden Truppen noch zu bedeutend
waren, so schrieb der König nach altem
königlichen Rechte eine Landsteuer aus;