Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 288

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
288 Iii. Geschichtsbilder. bei Gott, das ist und war nie deutsch! Von dem Augenblicke an, wo wir das Rechte wollen und wagen, verschwindet die geringe Kraft der wenigen Fremden; endlosen Kriegsleiden wird ein ruhm- voller Friede folgen, und ein Haupt des Doppeladlers mit Lorbeeren, das zweite mit Oelzweigen bekränzt werden!" Auch diese Stimme verhallte in der Wüste. Der Geist der Deutschen war öde und einer patriotischen Erhebung nicht mehr fähig. Es blieb bei der Verstümmelung unseres Vaterlandes, und der westfälische Friede besiegelte dessen Schmach. Unsäglich war das Elend, schreckhaft die Noth, jammervoll die Zerrüttung unseres deutschen Reiches nach diesem Kriege: man rechnet, daß es die Hälfte, ja, wie Einige behaupten, zwei Drittheile seiner Bewohner verloren habe. In Sachsen kamen allein binnen 2 Jahren 900,000 Menschen um; in Böhmen war die Einwohnerzahl schon bei Ferdinands Ii. Tode, bevor noch Baner und Torsten- son ihre letzten verheerenden Einfälle thaten, auf ein Viertel herabgesunken. Augsburg hatte sonst 80,000 Ein- wohner, jetzt nur noch 18,000, und so nach Verhältniß die meisten Städte in Deutschland. Der Wohlstand war auf lange, lange Zeit ruinirt. Nicht nur fehlten die Arbeiter, lagen die Werk- stätten in Asche, sondern Gewerbfleiß und Handel waren auch in andere Hände gekommen. Die Oberdeutschen standen jetzt weit hinter Italienern und Schwei- zern, die Niederdeutschen weit hinter Holländern und Engländern zurück. Große, einst blühende Länder waren entvölkert und wurden erst allmählich wieder durch Einwanderer von außen her, durch zu- rückgebliebene fremde Soldaten besetzt. Nach 30 Jahren voll Schlachten, Brand, Mord und Seuchen sah sich Deutschland nicht mehr ähnlich. Die stolze Nation war in ein ärmliches Ge- schlecht von Bettlern und Räubern ver- wandelt. Verhungerte Bauern, feige Bürger, liederliche Soldaten, mattherzige Höflinge waren der Rest des großen Geschlechtes, das untergegangen. Konn- ten sie aber besser sein? Die Fürsten selbst gaben das Beispiel feiger Treu- losigkeit, die Feldherren suchten sich zu bereichern, die Soldaten, die zuletzt allein herrschten, wurden entmenscht und aller Bande ledig. Alle Teufel des politischen Verraths, des religiösen Fanatismus, der Habsucht der Emporkömmlinge und der viehischen Gier der Soldaten wur- den auf das Volk, den Bürger und Bauer angehetzt. Von Haus und Hof vertrie- den, oder in ewiger Angst vor den Sol- daten, ohne allen Unterricht, was blieb dem neu aufwachsenden Geschlecht übrig, als feige Niederträchtigkeit und jene schändliche Sittenlosigkeit, die es von den Soldaten gelernt? Auch der letzten Reste politischer Freiheit ging das deutsche Volk in jener Kriegszeit verlustig, weil die Stände ausgeplündert und ihrer materiellen Kraft beraubt wurden. Der Adel konnte nur noch im Fürstendienst etwas gelten; die Reichsstädte fristeten ein unmächtiges Dasein fort, der Bauer war durch die Soldatenherrschaft vollends demoralisirt und durch und durch ein Knecht. Auch die Landstände verloren überall ihre Be- deutung. Die frühere Bildung Deutsch- lands artete in eine völlige Barbarei aus. Die gelehrte Sprache, die seit Luther je mehr und mehr deutsch zu werden anfing, wurde wieder ausschließ- lich lateinisch. Die Volkssprache aber nahm von den vielen fremden Soldaten eine unglaubliche Menge spanischer, ita- lienischer, französischer Wörter an, und dieser Mischmasch wurde so sehr Mode, daß man es für die höchste Schönheit hielt, so viel als möglich ausländische Wörter mit deutschen Endungen zu ge- brauchen. Eben so buntscheckig ahmte man die fremden Sprachen nach. Der Glaube zersetzte sie durch Kampf in Aberglauben und Unglauben. Der Bürger, in steter Todesangst schwebend, sah überall Teufel und Gespenster; der Soldat, durch die Art, wie er focht, mit Verachtung erfüllt gegen das, wofür er focht, war nicht mehr katholisch noch lutherisch, sondern prahlte mit der Gleich- gültigkeit Wallensteins und sagte, wenn er beten sollte, spöttisch das Abc her, „in dem steckten schon alle Gebete."
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer