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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 304

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
304 Iii. Geschichtsbilder. 140. Die Auflösung des deutschen Kaiserreiches und Deutsch- lands tiefe Schmach. In der Schlacht bei Austerlitz (2. De- zember 1802) hatte das „heilige römische Reich deutscher Nation" den Todesstreich empfangen. Zwar wurde die Auflösung des deutschen Kaiserthumes im Friedens- vertrage nicht ausgesprochen, aber sie lag nichts desto weniger in den Bestim- mungen desselben. Die südwestdeutschen Staaten hatten, meist auf Kosten Oester- reichs, namhaften Länderzuwachs erhal- ten, und deren Fürsten waren zu höheren Würden erhoben worden, mit welchen die Pflichten gegen das Reich nicht wohl mehr in Einklang zu bringen waren. Aus Bayern und Württemberg waren Königreiche, aus Baden und Hessen- Darmstadt Großherzogthümer, aus Berg und Nassau Herzogthümer geworden. Die ausdrückliche Bestimmung des Preßbnrger Friedensvertrages, „daß diese neuen Würden an dem Verhältnisse der betreffenden Fürsten zum deutschen Reiche nichts ändern sollten," war nur ein Kunstgriff, um über die bereits beschlossene Auflösung des deutschen Reiches eine Maske zu ziehen, die seiner Zeit — und diese kam sehr bald — schon fallen sollte. Am 12. Juli 1806 traten auf Veranlassung Napoleons zwölf Fürsten des südwestlichen Deutschlands zum so- genannten „Rheinbünde" zusammen, als dessen Protektor Napoleon sich erklärte. Eine eigene Bundesversammlung zu Frankfurt a. M. unter dem Vorsitze des Fürsten-Primas ward zur Entscheidung über die gemeinsamen Angelegenheiten eingesetzt Alle Bestimmungen des Bun- desvertrags waren darauf berechnet, den Bund in gänzliche Abhängigkeit von Napoleon zu bringen und diesem die Streitkräfte der Bundesfürsten — 63,000 Mann — zur Verfügung zu stellen. Neben diesem Bundestage konnte die Reichsversammlung zu Regensburg nicht mehr bestehen. Napoleon ließ derselben durch seinen Gesandten am 1. August erklären, daß er das Dasein einer deut- schen Reichsverfassung nicht mehr an- anerkenne, daß das deutsche Reich auf- gelöst sei. Preußen ließ sich durch Zuwendung von Hannover und den Köder einer „norddeutschen Confödera- tion" unter seinem Protektorate zu still- schweigendem Einverständniß bestimmen; Oesterreich aber war nach dem unglück- lichen Ausgange des Feldzugs von 1805 so geschwächt, daß es sich außer Stande sah, der Vernichtung des Kaiserthumes zu widerstreben. Franz Ii. hielt es unter seiner Würde, einen leeren Titel ohne Machtbefugniß zu führen und erklärte in einer Urkunde vom 6. Au- gust 1806, daß er Verzicht leiste auf die deutsche Kaiserkrone, da es ihm un- möglich sei, die mit dem kaiserlichen Amte übernommenen Pflichten länger zu erfüllen; er betrachte daher das Band, welches ihn seither mit dem deutschen Staatskörper vereinigt, als ausgelöst, und die Würde eines deutschen Kaisers als erloschen. So war in bestimmtester Form das Ende des heiligen römischen Reiches deutscher Nation ausgesprochen. Der Kaiserscepter, welcher seit Karl des Großen Zeiten tausend Jahre lang von Deutschlands Königen getragen worden, war zerbrochen, das Baud zwischen den Deutschen der verschiedenen Stämme zerrissen, und die Deutschen hatten auf- gehört als Nation einen Platz unter den europäischen Völkern einzunehmen. Napoleon hatte seinen zweifachen Zweck erreicht: Deutschland zu spalten und das gespaltene zu beherrschen, und dann sich der Welt, wie den Erben von Karls des Großen Macht, so auch von dessen Kaiserkrone darzustellen. Das römisch- deutsche Kaiserthum war dem französisch- römischen gewichen! Allerdings war das deutsche Reich morsch, altersschwach, hinfällig geworden, und sein Sturz war nur die nothwen- dige Folge des inneren Zerfalles seit dem dreißigjährigen Kriege; aber doch erfüllte sein Untergang viele Gemüther mit Schmerz und Wehmuth, und mehr als je regte sich die Sehnsucht nach je- nem Retter, welcher laut der Volkssage aus dem Kyffhäuser erstehen sollte. Für
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