1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
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Iii. Geschichtsbilder.
Bergen standen und unverdrossen mit
ihren Büchsen herabzielten, schossen und
wieder luden. Dennoch entkam ihnen
der französische Anführer. Aber auch
die österreichischen Beamten, die Alles ein-
richten und leiten wollten, verließen das
Land, und der Kaiser Franz, welcher
mit Napoleon den Waffenstillstand zu
Znaim geschlossen hatte, mußte seine
braven Tiroler aufgeben. Die wußten
nun nicht, wie sie daran waren, und
neues französisches Kriegsvolk drang von
allen Seiten in's Land. Da stellten sich
der Andreas Hofer und der Speckbacher
an die Spitze des Aufgebotes, und das
Volk bekämpfte die Feinde, wo es konnte,
mit treuem Muthe und gewaltiger Kraft.
Es besetzte die Engpässe, durch welche ,
die Feinde vordringen wollten, schoß
von den Höhen auf sie nieder und zer-
schmetterte sie durch herabgewälzte un-
geheure Felsstücke; die Weiber halfen
den Männern; ganz Tirol war nur ein
Herz und eine Seele. Nun stellte sich
Hofer an die Spitze der Landesregierung
in Innsbruck, und besorgte sie nach seiner
frommen, einfältigen Weise. Der Speck-
bacher zog indessen wachsam umher, um
die Grenzen des Landes zu sichern.
Mittlerweile wurde der Friede zu Wien ge-
schlossen, und Tirol von Oesterreich selbst
aufgefordert, sich dem Sieger zu ergeben.
Doch hatte Kaiser Franz für Tirol
ausdrücklich Vergessenheit und Vergebung
alles dessen, was geschehen war (Amnestie)
bedungen. Da schrieb der brave Hofer
seinem Freunde Speckbacher: „Es ist
Alles aus; Oesterreich hat uns ver-
gessen!" und seinen Landsleuten schrieb
er (am 8. November): „Aller Widerstand
hört jetzt auf." Aber ein gewisser Kolb,
ein Adliger von Geburt, täuschte den
gläubigen Hofer durch allerlei erlogene
Nachrichten von den Siegen der Kaiser-
lichen; dieser Kolb und ein gewisser
Donay gewannen Hofers ganzes Ver-
trauen und verleiteten ihn, daß er am
15. November die Männer im Vintsch-
gau und im Oberinnthal auf's Neue
aufrief, die Waffen zu ergreifen. Das
war den Franzosen gar lieb; denn sie
nahmen dies zum Vorwand und Anlaß,
j den Hofer für vogelfrei zu erklären. Er
war nun in seiner Heimat nirgends mehr
vor Aufpassern und Schergen sicher, hätte
aber leicht entfliehen und sein Leben retten
können. Das möcht' er nicht, aus An-
hänglichkeit an sein liebes Tirol und er
barg sich lieber in einer einsamen Alpen-
hütte am Passeier unter Schnee und Eis
zwei Monate lang vor seinen Verfolgern.
Endlich verrieth ihn Donar), welcher es
jetzt mit den Siegern hielt, und führte
die Häscher am 30. Januar 1810 mitten
in der Nacht zu Hofers einsamer Hütte
auf der Alp hinan.
Dreimal pochen die Häscher; da tritt
Hofer heraus und sagt ihnen frei und
stolz: „Ja, ich bin's, den ihr sucht,
schont nur mein Weib und meine Kin-
der." Sie ergreifen ihn, nehmen ihn ge-
fangen und bringen ihn, mit Ketten ge-
fesselt, nach Mantua. Dort wird er vor
ein französisches Kriegsgericht gestellt,
und auf Gebot des Vicekönigs von
Italien zum Tode verurtheilt. Am 20.
Februar 1810 führt man ihn auf eine
Bastei der Festung. Wie er seine ge-
fangenen Landsleute sieht, segnet und
tröstet er sie noch mit den Worten:
„Das Land Tirol kommt doch noch
unter den Kaiser Franz." Endlich er-
reicht er den Platz, wo er sterben soll.
Man will ihm die Augen verbinden,
aber Hofer leidet's nicht; auch will er
nicht niederknien und ruft stehend den
feindlichen Soldaten muthig zu: „Feuer".
Da knallen die Gewehre und der Mann
des Volkes sinkt, treu dem Kaiser und
seinem Land Tirol, in sein Blut. Der
Kapuziner Haspinger und der Speck-
bacher entrannen glücklich den Nachfor-
schungen der Feinde nach Wien. Land
und Volk Tirol mußten sich nun der
Gewalt fügen. Hofers Familie erhob
der Kaiser später in den Adelstand; das
Tiroler Volk aber hat sich durch seinen
Muth und seine Treue für alle Zeiten
selbst geadelt.