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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 339

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
155. Thierwanderungen. 339 saniere Reisen machen verschiedene Nager. Nur flüchtig zu gedenken des Eichhorns, das mitunter Wald mit Wald vertauscht und der Feldmäuse, die sich sogar durch größere Flüsse nicht am Weiter- ziehen hindern lassen, wie man denn weiß, daß sie selbst den Main und Rhein durchschwammen, müssen wir die Wurzelmaus, oder wie sie von ihrer Heimat heißt, die Kamtschatka-Ratte besonders hervorheben. Im Frühjahre verlassen Legionen dieser Thiere Kamt- schatka und ziehen in westlicher Richtung hunderte von Meilen landseinwärts den Ufern des Octrals und Jdoma zu, wo sie gegen Mitte August ankommen. Ihre Anzahl ist so ungeheuer, daß der Vorüber- zug einer einzigen Colonne oft mehrere Stunden währt. Im Oktober kehren die stark gelichteten Schaaren nach Kamt- schatka zurück und diese Rückkehr ist ein Freudenfest für das Land, weil eine Menge von Raubthieren die Züge be- gleitet, deren kostbares Pelzwerk eine willkommene Beute für die Bewohner dieser winterlich unfruchtbaren Gegenden ist. Minder regelmäßig, aber eben so merkwürdig sind die Wanderungen des Lemmings, der auf Schwedens und Norwegens Gebirgen in so großer An- zahl lebt, daß man auf dem Sewoge- birge oft ein Schlupfloch neben dem andern sieht. Zu Zeiten steigen diese gefräßigen Geschöpfe von den Küsten des Eismeeres nach den Thälern Lapp- lands herab, rücken in gedrängten Massen vorwärts und befolgen dabei immer eine gerade Linie, welche kein Hinderniß zu unterbrechen vermag. Berge und Felsen werden überstiegen, Flüsse durchschwom- men. So geht der Zug, hauptsächlich zur Nachtzeit unaufhaltsam weiter, eine Geißel des Landes, ein Schrecken für seine Bewohner. Denn ob auch Tausende und aber Tausende unterwegs zu Grunde gehen, ihre Zahl bleibt noch so erstaunens- würdig groß, daß sie alle und jede Vege- tation zerstören, das Gras nicht nur bis auf die Wurzel abbeißen, sondern auch noch den Boden aufwühlen und die darin befindlichen Samenkörner hervor- suchen. — Glücklicher Weise findet ein sol- cher Lemmingseinfall in derselben Gegend alle zehn Jahre höchstens einmal statt. Das Renthier, dieser höchste Schatz des Nordländers, verläßt in Heerden von vielen Tausenden gegen Ende Mai die Wälder Sibiriens, um sich gegen die Insekten, namentlich gegen die Renthierbremse zu schützen und an den Polarmeeren Nahrung zu suchen und kehrt erst im Herbste wieder zurück. Auffallender erscheinen die Wan- derungen mehrerer Arten der Antilo- pen. Diese sind bekanntlich Bewohner der Ebenen und baumlosen Flächen der Tro- penländer. Europa besitzt nur eine Art, die Steppen- oder Saiga-Antilope, die heerdenweise Polens Ebenen bevölkert, Winters aber südwärts zieht. Afrika allein zählt über 60 Arten, von denen der Springbock am interessan- testen sein dürfte. In Heerden von 20 bis 25,000 Stück lebt er in Südafrika, und es ist ein eignes Schauspiel, diese Thiere jagen zu sehen, weil da beständig mehrere 4 bis 6 Fuß hoch über einander weg springen. In dürren Jahren fallen die Springböcke verwüstend in die Saat- felder der Cap-Colonie ein. Doch müssen sie den angerichteten Schaden mit ihrem eignen vorzüglichen Fleische wenigstens theilweise Zahlen. Sie werden nämlich bei diesen Einfällen in Masse erlegt. — Selbst das Geschlecht der Robben und Wale hat seine Wanderer aufzu- weisen. Heerden von Seehunden lagern auf den im März und April vom Nord- pol herabtreibenden Eisfeldern und lassen sich so wärmeren Meeresstrecken zutreiben. Das Walroß benutzt dieselben Fahr- zeuge, doch zu kürzeren Stationen. Der beutegierige Delphin folgt den Zügen der Fische, durchkreuzt alle Meere und steigt selbst die Flußmündungen hinauf. Gleich verwegen ist der P o t t f i s ch (Cachelot), der von der Baffinsbai und Davisstraße aus bis in's atlantische Meer und selbst in das Mittelmeer hin- streicht. Ii. Aus dem Letztgesagten haben wir schon ersehen, daß die Wanderungen der Thiere nicht nur auf dem Festlande, sondern auch im flüssigen Elemente vor- - kommen; ja hier sind sie noch leichter auszuführen, weil sich den Zügen weniger 22*
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